Familien-Drama: Ein Dorf in Schockstarre

Um Angehörige hat sich das Notfallseelsorge-Team des Kreises gekümmert. Gemeindereferent Andreas Bodenbenner gibt Tipps für alle anderen.

Niederkrüchten. Die Menschen in der Gemeinde sind nach der Bluttat am Wochenende schockiert. Viele Bürger kannten die 45-Jährige, die am Sonntag von ihrem ehemaligen Lebensgefährten, einem 43-jährigen Mönchengladbacher, in ihrer Wohnung in Niederkrüchten erschossen wurde. Und viele Jugendliche kannten den 17-jährigen Sohn der Frau — aus der Schule, von Partys, aus dem Bus oder von der Straße. Auch den 17-Jährigen tötete der Sportschütze, bevor er sich selbst mit der Pistole das Leben nahm.

Alexander Schweikert, Pfarrer von St. Bartholomäus Niederkrüchten und St. Martin Oberkrüchten, weiß, dass die Gemeinde schockiert ist, auch wenn ihn keiner um Seelsorge ersucht hat. Er will in der Kirche St. Bartholomäus ein Licht aufstellen, um der Toten zu gedenken. Auch im Sonntagsgottesdienst will er Worte finden das Familiendrama. „Wir werden noch überlegen, wie wir irgendwie und irgendwo helfen können. So weit sind wir noch nicht“, sagt Schweikert.

Um die Angehörigen und nahestehenden Personen haben sich vier Frauen vom Notfallseelsorge-Team des Kreises Viersen gekümmert. Sie haben sie in den ersten Stunden der Fassungslosigkeit, der Trauer und Ohnmacht begleitet und vermitteln ihnen, wenn gewünscht, weitere Hilfen. Die entfernten Bekannten und Verwandten müssen mit dem Unfassbaren meist allein fertig werden.

„Ein Freund hat sich wohl an meine Kolleginnen gewandt“, sagt Andreas Bodenbenner, Koordinator der Notfallseelsorge. „Wir sind natürlich erste Ansprechpartner. Oft verteilen wir bei solchen Anlässen auch Flyer, auf den Symptome, aber auch Kontakte für Hilfesuchende aufgeführt sind“, erklärt der Gemeindereferent von St. Maria Geburt in Kempen. „Die Wege der Verarbeitung sind sehr unterschiedlich. Der eine will es mit sich ausmachen, der andere will mit Freunden reden, und wieder andere verweigern sich“, erklärt der Notfallseelsorger.

Reaktionen auf schockierende Erlebnisse und Todesfälle setzten nicht immer unbedingt sofort ein, sondern oft auch mit ein bis zwei Wochen Verspätung. Angst, Hilflosigkeit, eine Achterbahn der Gefühle, Rückzug von Freunden und Familie, Überforderung, Orientierungslosigkeit, Schlaf- und Appetitlosigkeit können Symptome sein, die anzeigen, dass jemand die Trauer nicht verarbeiten könne. Eine einfache Hilfe gibt es nicht. Das weiß auch Andreas Bodenbenner. Aber es gibt Wege, die Trauer langsam zu verarbeiten: „Reden löst. Es müssen nicht immer Fachleute sein. Jeder kann jedem helfen.“ Sich mit Eltern, Freunden, Lehrer und anderen Trauernden auszutauschen sei gut.

Zur Ruhe kommen sei wichtig, und oft helfe auch Bewegung. „Egal, was. Man spürt sich anders. Auch ein Spaziergang in der Natur kann helfen, die trauernden Gedanken vom Wind wegblasen zu lassen“, sagt Bodenbenner.

Wenn gar nichts mehr gehe, können man natürlich auch die Hilfe von Fachleuten in Anspruch nehmen. Etwa die Krisenhilfe in Krefeld oder die Kinder- und Jugendberatungsstelle in Viersen. „Das Kinder- und Jugendtelefon der Telefonseelsorge kann ich empfehlen“, sagt Bürgermeister Kalle Wassong (parteilos). „Es gibt bei uns eine gutes Netz von Hilfen. Auch die Schulen werden sich gut um die Kinder und Jugendlichen kümmern. Wassong fügt hinzu: „Man darf die Selbstheilungskräfte der Menschen auch nicht unterschätzen.“

“ Für die Hinterbliebenen — insbesondere die beiden zwölf und 15 Jahre alten Kinder der getöteten Mutter — hat der Sportverein Blau-Weiß Niederkrüchten ein Spendenkonto eingerichtet. Die Bankverbindung ist auf der Homepage des Vereins einzusehen:

blau-weiss-niederkruechten.de

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