Zivis hinterlassen große Lücke

Sozialverbände und Hilfsdienste im Kreis haben erhebliche Schwierigkeiten, die Helfer zu ersetzen.

Kreis Mettmann. Zuerst war es für ihn eine „Zwangsveranstaltung“, wie er sagt. Mit der Zeit hat Jens Küper der Zivildienst aber immer mehr Spaß gemacht. Vor zehn Monaten hat der jetzt 20-Jährige seinen Dienst bei der Johanniter Unfallhilfe im Kreis Mettmann angetreten. Von montags bis freitags fuhr er Kranke und Behinderte, transportierte Blutkonserven und Organe zu Kliniken oder war Rettungshelfer bei Einsätzen.

Doch damit ist jetzt Schluss. Jens Küpers Zeit als Zivi ist vorbei. Mit ihm verabschiedet sich der letzte Zivi bei den Johannitern im Kreis Mettmann. Denn der Zivildienst ist mit der Aussetzung der Wehrpflicht ebenfalls abgeschafft worden.

Rückblickend ist Küper froh über seine Dienstzeit. „Nach der Schule war ich sehr durcheinander und unzufrieden mit mir selbst, weil ich keine Perspektive für mich hatte. Ich wusste nicht, was ich machen sollte“, sagt er. Dies habe ihn unter Druck gesetzt, „weil man ja immer denkt, dass man doch einen Plan haben muss fürs Leben“. Jetzt sei er gelassener geworden. „Und in der Zeit habe ich auch eine Idee bekommen, was ich machen will: Ich fange in 14 Tagen an, Sozialwissenschaften zu studieren.“

Die Aufgaben, die Küper erledigt hat, werden zukünftig Hendrik Peitzer und Carsten Bosch übernehmen. Sie haben sich für den Bundesfreiwilligendienst bei den Johannitern gemeldet. Dieser wurde von der Bundesregierung als Reaktion auf die Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes eingeführt.

40 Jahre lang haben Zivis die Johanniter im Kreis unterstützt. Insgesamt waren es in vier Jahrzehnten 1600. „Ohne sie hätten wir viele Dienste nicht anbieten können — besonders den Behindertenfahrdienst“, sagt Kreisausbildungsleiterin Tanja von Speicher. Jetzt, nach Aussetzung des Zivildienstes, werde das Angebot jedoch nicht reduziert. „Bei uns haben sich einige junge Menschen beworben, die den Bundesfreiwilligendienst leisten wollen“, sagt sie. Zudem gebe es noch Männer und Frauen, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr bei den Johannitern ableisten.

Bei der Lebenshilfe im Kreis Mettmann werden die Zivildienstleistenden hingegen schon jetzt schmerzlich vermisst. Im Durchschnitt waren in jeder Einrichtung der Lebenshilfe zwei Zivis eingesetzt gewesen — kreisweit rund zehn. Als sich das Ende des Zivildienstes abgezeichnet hat, warb die Lebenshilfe verstärkt um junge Leute, die bei ihr ein Freiwilliges Soziales Jahr ableisten wollten. Damit konnte man aber den Wegfall der Zivis nicht kompensieren. „Die fehlen vorne und hinten — vor allem für Fahrdienste oder Ausflüge“, heißt es in der Ratinger Kreisgeschäftsstelle. Sogenannte „Bufdis — junge Leute, die den Bundesfreiwilligendienst absolvieren — gebe es zurzeit keine bei der Lebenshilfe.

Auch andere Sozialverbände und Hilfsdienste schlagen Alarm. In Haan beispielsweise wartete der Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt vergeblich auf einen Bewerber (oder eine Bewerberin) für den Dienst „Essen auf Rädern“. Für dieses Jahr wird der Zivi, der Ende Juni ausschied, durch 400-Euro-Kräfte ersetzt, doch für kommendes Jahr werden die Finanzen knapp. Laut Kreisgeschäftsführer Rainer Bannert haben Kreisverband und Ortsvereine bisher etwa zehn bis 15 Zivis beschäftigt, aktuell gibt es etwa acht junge Leute im Sozialen Jahr, aber keine Bundesfreiwilligen. „Mit diesem neuen Dienst müssen erst noch Erfahrungen gesammelt werden. Es bleibt die Gesamtkritik, dass es zeitlich schlecht vorbereitet war“, sagt Bannert.

Der DRK-Kreisverband hatte seine drei Stellen im ärztlichen Notfalldienst eigentlich besetzt, sucht nach einer Kündigung jetzt aber wieder dringend einen Freiwilligen. Dieser fährt die Ärzte zu Patienten, die nicht selbstständig eine Notfallpraxis aufsuchen können, und unterstützt sie im Notfall auch sanitätsdienstlich. „Wir nehmen gerne Bewerbungen entgegen“, sagt Stefan Vieth, Teamleiter Rotkreuzgemeinschaften und Einsatzdienste.

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