Wülfrath: Landrat-Brief löst in der Politik große Bestürzung aus

Aus "gegebenem Anlass" bricht die Bürgermeisterin ihren Urlaub ab. Ein Gespräch der Fraktionsvorsitzenden ließ sie am Dienstag unterbinden.

<strong>Wülfrath. Kein genehmigter Haushalt, kein Haushaltssicherungskonzept, ein Ultimatum für die Bürgermeisterin, ein Landrat, der den Eigenkapitalverzehr der Stadt als "besorgniserregend" einstuft. Der Kreis Mettmann als Kommunalaufsicht sieht Wülfrath "zurzeit im freien Fall", wie einer Delegation aus dem Rathaus in der vergangenen Woche während einer Dienstbesprechung im Kreishaus gesagt wurde. Mit seinem Schreiben an die Bürgermeisterin macht der Landrat unmissverständlich klar, dass er konkrete Schritte in Sachen Konsolidierung erwartet. Eine für gestern Abend geplante Sitzung der Fraktionsvorsitzenden ließ Bürgermeisterin Barbara Lorenz-Allendorff absagen - per Dienstanweisung aus ihrem Urlaub, den sie abbrechen wird.Der "Brandbrief" der Kommunalaufsicht löst unter den Ratsfraktionen Bestürzung aus. "Die Krise hat sich weiter verschärft", kommentiert Gerd Rammes (CDU). Das liege auch daran, dass die Bürgermeisterin nicht kommuniziert. Rammes: "Der Rat ist gefordert." Andrea Büngeler, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, sieht in dem Brief ein "dramatisches Signal des Landrats, das ziemlich deutlich die Bürgermeisterin anspricht". Büngeler fragt sich, "ob man der Bürgermeisterin noch vertrauen kann, wenn sie Beschlossenes und Zugesagtes nicht umsetzt und nicht weiterleitet". Damit stoße man der Kommunalaufsicht vor den Kopf, "dabei sind wir doch auf den Landrat angewiesen". Auch Hans-Peter Altmann, Ortsvereins-Vorsitzender der FDP, betont die Notwendigkeit einer guten Kooperation mit der Kommunalaufsicht. "Der muss ich alle Auskünfte geben, um Vertrauen einzuwerben." Er persönlich fühle sich "als Stadtratsmitglied von der Bürgermeisterin an der Nase herumgeführt". Zum Beispiel habe der Rat ihr einen klaren Verhandlungsauftrag in Sachen Beigeordnete erteilt. Altmann: "Und nichts ist geschehen." "Ich bin aufgeregt", sagt stellvertretender DLW-Vorsitzender Jürgen Hackenberg, "dass man uns in diese Situation schliddern lässt - in voller Fahrt in die Unselbstständigkeit." Er erwarte, dass die Stadt nun alles offen auf den Tisch lege - nicht wissend, dass die für gestern Abend vom 1. Beigeordneten Wolfgang Peetz einberufene Fraktionsvorsitzendenrunde auf Anweisung Lorenz-Allendorffs abgesagt wurde. Bürgermeisterin Barbara Lorenz-Allendorff hat gestern auf das Schreiben mit den konkret an sie gerichteten Handlungsaufträgen reagiert. Per Mail ließ sie von ihrem Sekretariat alle Ratsmitglieder informieren, dass sie "aus gegebenem Anlass ab Donnerstag" wieder im Rathaus sein werde - das schnelle Ende des Frankreich-Urlaubs. Die Absage der Sitzung gestern Abend quittiert Gerd Rammes "schockiert". Und: "Das ist an Führungslosigkeit nicht mehr zu überbieten." Gerade jetzt müssten Verwaltung und Politik miteinander reden. "Wir wollen informiert werden. Und das wird von der Bürgermeisterin untersagt. So etwas habe ich noch nicht erlebt."

Kommentar: Und niemand bremst den Fall

Von Thomas Reuter

Die Einschätzung des Kreises als Kommunalaufsicht trifft: Wülfrath ist eine Stadt im freien Fall. Die Kritik des Landrates deckt schonungslos auf, dass die Bürgermeisterin in der Finanzkrise der Stadt nicht agiert, allenfalls reagiert - und das offenbar nur auf Druck.

Nein, die neuerliche Kritik an der Chefin im Rathaus ist kein Teil einer Hetzjagd gegen sie. Die Landrat-Kritik fasst vielmehr all das zusammen, was zuletzt immer häufiger gesagt wurde: Sie kommuniziert nicht. Sie antwortet auf Briefe nicht. Sie bindet nicht mit ein. Dass sie nun aus Frankreich anordnen lässt, dass diejenigen, die sich um Wülfraths Fortbestand Sorgen machen, nicht tagen dürfen, ist ein unglaublicher Vorgang - und kostet Wülfrath kostbare Zeit. Wülfrath befindet sich im freien Fall. Niemand bremst ihn. Wer zieht die Reißleine?

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