Wülfrath: „Kleine Leute“ ganz groß

Gesellschaft: Wer bei Puppen an rosig-pummelige Kindergesichter denkt, liegt falsch: Doris Lommel-Lessaus Puppen sind nicht für kleine Mädchen gemacht. Die Wülfratherin macht Kunst.

Wülfrath. Hoch aufgeschlossener Kragen, eleganter Hut, riesige Sonnenbrille. Sitzend, stehend, dick oder dünn: Es sind Typen des alltäglichen Lebens, die ihre Eigenschaften nach außen tragen. Fast kommt einem das ein oder andere Gesicht bekannt vor. Als hätte man es schon einmal irgendwo getroffen.

Überspitzte Charaktere, ausgefallene Gesichter: Puppen mal anders. Wesensarten und Stimmungen in wenigen markanten Zügen konzentriert erfasst. Fast wie Karikaturen wirken sie. Kunst verkörpern sie. Die kleinen, großen, schmalen oder breiten Figuren blicken von Regalen, Tischen, Stühlen irgendwo ins Leere und erzählen die Geschichte ihrer Schöpferin: die Wülfratherin Doris Lommel-Lessau.

Seit 40Jahren gibt sie sich ihren "Kleinen Leuten", wie sie die Puppen nennt, hin. Schafft mit ihnen immer wieder neue Kunstwerke, die sie auf zahlreichen Ausstellungen erfolgreich präsentiert und oft den ersten Preis mit nach Hause nahm. Paris, München, Hannover - Doris Lommel-Lessau gewann schon etliche Preise mit den Puppen aus Nesseln-Stoff, verziert mit kleinen Perlchen, Spitzenstoffen und unzähligen Accessoires. Auf Puppenausstellungen war sie eher immer eine Außenseiterin: "Bloß keine idealtypischen menschlichen Abbilder", sagt sie. "So etwas hat etwas Gruseliges." Sie macht lieber Kunst und hebt sich gerade deshalb von anderen ab.

Feste Abnehmer hat Doris Lommel-Lessau, sowie auch einige prominente Fans: "Die Konfisserie Leysieffer hat eine große Puppe von mir in ihrer Hauptzentrale in Berlin stehen", erzählt sie stolz.

Und dabei nahm alles eher durch einen Zufall seinen Lauf: "Meine Tochter wollte mit ihrer Schule eine Klassenfahrt machen, hatte aber kein Geld. Ich schlug vor, kleine selbstgemachte Stofftiere auf dem Solinger "Zöppkesmarkt" zu verkaufen. Es funktionierte: Die Klasse nahm so viel Geld ein, dass sie fahren konnte", erinnert sich die Künstlerin.

Ihre Leidenschaft war geweckt. Aus der Gefälligkeit für Freunde entwickelte sich eine kleine Werkstatt und ein immer größerer Abnehmerkreis. Auch die Puppen veränderten sich: wurden menschlicher, nicht ganz so verträumt. Mit der Zeit wirkten sich Veränderungen ihres eigenen Typs auch auf ihre Arbeit aus. Inzwischen existieren 600 Puppenfiguren. Dass sie ein Faible für alte Hollywoodfilme hat, ist jedoch bei den meisten von ihnen nicht zu übersehen.

Jede einzelne Figur hat ihre Geschichte: "Anfangs konnte ich mich sehr schlecht von ihnen trennen", verrät sie. Einige würde sie jedoch auch heute nicht hergeben. So wie die Dame, die elegant auf einem lebensgroßen Barhocker sitzt, die Beine übereinander geschlagen, mit glitzernden Ohrringen und einer Fuchsstola um die Schultern und auf irgendetwas zu warten scheint...

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