Wülfrath: „Attila? Der kommt schon“

Das Warten auf den koreanischen Solisten, Schnittchen vorm Stühlerücken und ein (noch) entspannter Moderator: Wohlfühlen in der Stadthalle.

Wülfrath. Hans-Werner Fritze hat die Stichworte für seine Begrüßungsrede schon einmal aufs Pult gelegt. Ein wenig aufgeregt wippt der Filialdirektor der Kreissparkasse auf den Zehenspitzen. Er schaut in die noch leere Stadthalle, die in keinen 70 Minuten bis auf den letzten Platz besetzt sein wird. Neujahrskonzerte sind seit 21 Jahren in Wülfrath ausverkauft - und das in weniger als einem Tag.

In Sichtweite Fritzes spielt sich "Jugend musiziert"-Preisträger Christian Ziegler auf dem Flügel ein. "Das ist Bach", sagt Karl-Heinz Nacke, Moderator, Programmgestalter und Produzent der Veranstaltung in Personalunion, beiläufig. Er hat einen Wollschal an. In den Smoking schlüpft er erst kurz vor Beginn.

Um ihn herum wird es hinter der Bühne wuseliger. Bühnenmeister Fritjof Kuhlmann schaut nach dem Rechten. Orchester-Musiker greifen nach einem Häppchen vom Schnittchen-Tablett. Mitarbeiter der Kreissparkasse Düsseldorf - seit zwei Jahrzehnten Partner und Veranstalter des Neujahrskonzertes - legen ihre Jacken ab, lassen sich in ihre Aufgaben einweisen. Sparkassensprecher Bernhard Lück kontrolliert den Scheck für den guten Zweck, der traditionell überreicht wird.

Auch Bernd Gaube, Leiter des Orchesters "Wiener Melange" schaut in Minutenabständen vorbei. Nicht, dass er nervös wird. In nicht einmal anderthalb Stunden hebt sich der Vorhang, aber einer der Top-Akteure des Nachmittags ist noch nicht da: Attila Jun. Er hat am Abend zuvor noch in Stuttgart einen Auftritt gehabt. Nun holt ihn seine Frau Sungmi Kim, ebenfalls Solistin in der Stadthalle an diesem Samstag, vom Bahnhof ab. Nacke bleibt ruhig. "Attila? Der kommt schon." Und er schmunzelt Gaube zu, der unbedingt noch einmal mit dem mächtigen Bassisten aus Seoul proben muss: "The same procedure as every year." Ja, Attila Jun hat die gewisse Ruhe.

Mit dem damaligen Bürgermeister Helmut Kuhnert hatte der Journalist und Moderator Nacke vor 21 Jahren die Idee des Konzertes geboren. "Nach der Abrechnung fehlten uns 345 Mark für die Gema. Da habe ich damals die Stadtsparkasse gefragt, ob sie nicht die Lücke füllen könnte. Die hat ,Ja’ gesagt und wollte aber Mitveranstalter sein", erinnert sich Nacke lachend - eine Beziehung, die seit zwei Dekaden hält und mittlerweile "Kinder" in Mettmann und Heiligenhaus vorweisen kann. Aber Wülfrath als Erstling spielt eine besondere Rolle. "Das ist ein Wohnzimmer für die Künstler", sagt Nacke. "Das Publikum ist von der ersten Minute an bereit, ein Erlebnis mitzufeiern. Das spüren die Künstler." Und deshalb, fügt er hinzu, "kommen sie immer wieder gerne nach Wülfrath, vermitteln uns neue Solisten für unsere Konzerte." Normalerweise könne man sich Leute wie Attila Jun nicht leisten. Tokio, San Francisco, Madrid, Stuttgart - Wülfrath: In Juns Kalender hat die Kalkstadt einen festen Platz.

Noch 55 Minuten. "Herr Jun ist da," informiert ein Musiker Nacke. Mit einer anderthalb Liter-Flasche Wasser in der Hand schlendert er hinter die Bühne. "Hallo", sagt er mit seiner tiefen Stimme, erblickt Nacke, nimmt ihn herzlich in den Arm. Dabei schiebt der Moderator den Solisten auf die Bühne. Gaube wartet schon. Ziegler übt noch letzte Läufe. Für Wülfrath gibt es diesmal eine europäische Premiere. "Ich singe zum ersten Mal mit meiner Frau Sungmi das Duett ,Reich mir die Hand mein Leben’ aus Mozarts Don Giovanni", sagt Attila Jun. Gaube löst Ziegler am Flügel ab. Jun lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er lobt die Fachkunde und Gastfreundschaft. "Es kommt nicht auf die Größe der Stadt und die Menge der Zuhörer an."

Gaube nickt, drängelt jetzt doch ein bisschen. "Danke, ciao," sagt der Bassist und stellt die Wasserflasche ab. Draußen vor der Stadthallentür warten die ersten Besucher. Und Karl-Heinz Nacke ist noch ein wenig entspannter.

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