Velbert: Kleine Genies sind oft einsam

Hochbegabung ist für viele Kinder Fluch und Segen zugleich – und sie ist schwer zu erkennen.

Velbert. Ein Adventskalender mit Elektronikbauteilen? Die meisten Eltern würden von ihren Kindern dafür 24 verständnislose Blicke ernten. Für den elfjährigen Max hingegen gibt es kaum etwas Schöneres, um sich die Wartezeit auf das Christkind zu verkürzen. Sich mit Strom zu beschäftigen, ist sein großes Hobby. Der Gymnasiast ist hochbegabt. Das hat ihm ein Intelligenztest bescheinigt. Für sein Leben ist seine Hochbegabung Segen und Fluch zu gleich: Zwei Klassen hat er bereits übersprungen. Doch wirkliche Freunde zu finden ist schwierig.

Die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGhK) ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 30 Jahren für die Förderung Hochbegabter einsetzt. In Velbert sind es etwa 25 Eltern, die sich zu einer Gesprächsgruppe zusammengeschlossen haben. Isabel Schwagereit ist Leiterin der Gruppe und Mutter von zwei außergewöhnlich intelligenten Kindern. "Man muss das Kind nehmen, wie es ist, und seine Begabung fördern", betont sie. Dafür müssen die Eltern selbst Allround-Talente sein, denn die Fragen und Interessen der Kinder sind breit gestreut. Sie können im naturwissenschaftlichen, technischen oder musischen Bereich liegen. Früh beschäftigen sie sich auch mit Themen aus Politik und Philosophie. "Wir versuchen, durch außerschulische Aktivitäten viel zu kompensieren, gehen oft in Museen. Aber bei einigen Fragen müssen auch wir uns erst einmal schlau machen", weiß die selbstständige Übersetzerin nur zu gut.

Hochbegabung ist nicht leicht zu erkennen. Die Symptome von Unter- und Überforderung sind sehr ähnlich. Die Schüler machen Flüchtigkeitsfehler, verweigern sich der Schule und flüchten sich in Traumwelten. "Nicht jeder, der hochbegabt ist, ist auch ein Ass im Unterricht. Es gibt so genannte Minderleister. Das sind Querdenker, die mit der Kirche ums Dorf wollen", sagt die Gesprächsgruppenleiterin. Dann wird bei Matheaufgaben wie "vier plus drei" gerne einmal "vier plus sechs minus drei" gerechnet. Da stellen sich die Eltern die Frage, wie sie ihr Kind durch die Schule bekommen.

Gerade wenn die schulische Leistung nicht wirklich stimmt, ist es schwierig, die Hochbegabung in der Gesellschaft zu vertreten: "Die Kinder sind vielen Anfeindungen ausgesetzt. Oft bekommen wir zu hören, wir würden sie nur trainieren und bildeten uns etwas ein", erzählt die zweifache Mutter. Der Begriff "Hochbegabung" sei immer noch negativ besetzt. Häufig leiden die Kinder unter ihrer besonderen Intelligenz, ziehen sich sozial zurück, werden in der Schule als Außenseiter betrachtet. Dann müssen die Eltern hinter ihnen stehen. "Das tut schon weh, wenn man weiß, das eigene Kind wird gemobbt", sagt Schwagereit. Freundschaften bilden sich mehr im Privatbereich, und meist sind die Freunde dann ebenso intelligent.

Bettkantengespräche - damit kennen sich die Familien also gut aus. Auch weil die Kinder sich oft Sorgen machen. "Sie hören regelmäßig Nachrichten von Kriegen und Unruhen, machen sich Gedanken über die Umweltverschmutzung. Sie können das alles nicht einordnen. Denn trotz allem sind sie Kinder", so Schwagereit.

Im Gesprächskreis haben die Eltern auch die Möglichkeit, ihr Leid zu klagen und Rat zu bekommen. "Viele sagen, dass sie nicht mehr können. Die Kinder würden sie geradezu aussaugen", sagt die Gruppenleiterin. Im Grundschulalter gibt es Förderangebote, dann jedoch erst wieder für Jugendliche ab 15Jahren. Und vieles kostet Geld: "Hochbegabte Kinder von armen Eltern haben Pech. Wichtig ist, dass sie einen Mentor finden. Das kann auch ein Lehrer sein, der die Begabung erkannt hat", sagt Schwagereit.

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