Velbert: „Je schlimmer die Lage, desto mehr Lustspiele wurden gezeigt“

Der Velberter Historiker Eduard Neumer hat über „Filme in Velberter Kinos während des Dritten Reichs“ geforscht.

Velbert. Neben Internet und Fernsehen ist das Kino als Informationsmedium heute praktisch bedeutungslos geworden. Das sah vor 70 Jahren noch ganz anders aus: Radio und Tonfilm waren die neuen Medien ihrer Zeit, deren sich zum Beispiel die Nationalsozialisten zu bedienen wussten.

Der Velberter Historiker Eduard Neumer hat in seiner neuesten Veröffentlichung die "Filme in Velberter Kinos während des Dritten Reichs" unter die Lupe genommen und die Rolle des Films aus lokalhistorischer Perspektive untersucht.

Den Anstoß für das Projekt erhielt Neumer 2005, als er sich erstmals mit Kulturgeschichte auf lokaler Ebene beschäftigte: "In der Kunstgeschichte tauchte der Film gar nicht auf. Über ihn wurde in der bürgerlichen Gesellschaft die Nase gerümpft, er galt als ‚Proletentheater’." Dabei habe die Zeit große Regisseure und Filme hervorgebracht, etwa Fritz Lang und "Metropolis".

Reichspropagandaminister Joseph Goebbels erkannte den Wert des neuen Mediums und wusste auf diesem Instrument zu spielen: "Es gab natürlich Propagandafilme wie ,Bismarck’ oder ,Fridericus’ mit der Verherrlichung hervorragender Führergestalten, Durchhaltefilme wie ,Kolberg’, aber hauptsächlich wurden Komödien, Kriminalfilme, Liebes- oder Musikfilme ohne gezielte nationalsozialistische Propaganda gezeigt", so Neumer, der die Werke nach Genres unterteilt untersucht hat.

Die Zahlen der beiden, je 600 Besucher fassenden Velberter Kinos "Residenz" (kurz "Resi", abgerissen, Standort ungefähr Rheinlandstraße, Ecke Friedrichstraße) und "Salamander" (kurz "Sala", Standort Hohenzollernstraße, heute Spielsalon) bestätigen das: Laut Neumer waren von 1635 Filmen, die dort zwischen 1933 und 1945 aufgeführt wurden, fast 73 Prozent (1191) Unterhaltungsfilme. Elemente der Ideologie wurden darin oft unmerklich oder in kleinen Dosen transportiert. Zugleich war es sehr gut gemachte Unterhaltung - wie zum Beispiel der Klassiker "Die Feuerzangenbowle" mit Heinz Rühmann 1944 zeigt -, die aber einen Zweck erfüllte.

Das Volk habe einen Anspruch darauf, in einem Alltag voller Opfer und Entbehrungen auch einmal abschalten zu können, sagte Goebbels 1942 - Kino als Ablenkung: "Je schlimmer die Lage wurde, desto mehr Lustspiele wurden gezeigt", so Neumers Feststellung. Konzertsäle und Theater wurden geschlossen, die Kinos blieben geöffnet: "Am 16.April 1945 marschierten die Amerikaner in Velbert ein, aber noch bis zum 10.April wurden Filme gezeigt - trotz Luftalarm bei Tag und Nacht."

Wie gut ein Film beim Velberter Publikum ankam, sei aus den Quellen nicht direkt entnehmbar, so Neumer. Er stützte sich bei seinen Recherchen zu einem großen Teil auf die regelmäßigen Zeitungsankündigungen: Wenn die Spieldauer eines Films verlängert wurde, sei das ein Indiz für den Erfolg beim Publikum. Filmkritiken verschwanden dagegen sehr schnell aus den Zeitungen: "Kritiken wurden durch bloße Berichterstattung ersetzt, man hütete sich, negativ zu berichten."

“ "Filme in Velberter Kinos während des Dritten Reiches" von Dr. Eduard Neumer Herausgeber Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Velbert-Hardenberg, 14,50 Euro im Buchhandel

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