Serie: „Ratingen ist meine Liebe“

Alfred Dahlmann hat einst als Stadtdirektor Akzente gesetzt. Sein Herz hängt noch immer an der Stadt.

Ratingen. "Mein Lieblingsort in der Stadt?" Alfred Dahlmann überlegt nicht lange. "Der Löwenbrunnen auf dem Marktplatz. Der ist mein Kind", sagt er schmunzelnd und erzählt die Geschichte, wie Ratingen zu diesem guten Stück gekommen ist.

Dass der ehemalige Ratinger Stadtdirektor den schmucken Brunnen einst gegen massive Widerstände durchsetzen musste, erscheint heute kaum nachvollziehbar. "Ich war schon immer ein Liebhaber von Brunnen. Und in so eine historisch geprägte Innenstadt gehört einfach ein Brunnen." Mit dieser Meinung stand Alfred Dahlmann vor über 30 Jahren aber recht allein da.

Im Zuge der kommunalen Neugliederung war Dahlmann 1975 als Kommissar für die Stadtverwaltung eingesetzt worden. Auf dem ganz kurzen Dienstweg ließ er sich damals von Horst Becker, Kommissar für den Stadtrat, den Brunnenbau absegnen. "Als das Loch für das Fundament ausgehoben wurde, gab es einen Riesenaufruhr im Rat", erinnert er sich. Der Brunnen verschandele den Marktplatz, hieß es damals.

Doch Dahlmann hatte die Mittel für den Brunnen und die Säule aufgetrieben und ließ bauen. Das Geld für die Bronzetafeln mit den Wappen der Stadtteile sammelte der Amtsdirektor in Lintorf. Der Bronzelöwe kam erst später auf die Säule, anfangs war dafür kein Geld da.

Dahlmann - der große Macher, der sich um Meinungen anderer nicht schert? Davon will der heute 75-Jährige nichts wissen. "Die Stadt ist mir sehr ans Herz gewachsen", sagt der gebürtige Essener, der als promovierter Jurist im jungen Alter von 32 zum Ersten Beigeordneten der Stadtverwaltung gewählt wurde.

Das war 1965. Als kurz danach der damalige Stadtdirektor einen Herzinfarkt erlitt, sprang Dahlmann als Verwaltungschef ein. Und er kämpfte damals schon für die historische Innenstadt: "Weil es marode war, sollte das Bürgerhaus abgerissen werden. Und die SPD, die damals die absolute Mehrheit hatte, war für den Abriss." Dahlmann schaffte es, die graue Eminenz der SPD, Harry Kraft, zu überzeugen, und mit einer Stimme Mehrheit stimmte der Stadtrat damals für den Erhalt des Bürgerhauses.

Keine Frage: Dahlmann hat Spuren in Ratingen hinterlassen. "Wenn wir heute durch die Stadt gehen, bleibe ich alle paar Meter stehen - nicht nur, weil mich die Leute ansprechen. Meine Frau hasst das", sagt er lachend. Er weiß noch, wer Eigentümer von diesem oder jedem Grundstück ist, er erinnert sich an Projekte, die in seiner Amtszeit als Stadtdirektor (bis 1986) auf den Weg gebracht wurden.

"Das erste war das Stadttheater." Dann folgten Rathaus, Stadthalle, Angerbad, Eissporthalle, Stadtmuseum, verschiedene Schulneubauten, Medienzentrum, aber auch der innerstädtische Verkehrsring, das Gewerbegebiet Tiefenbroich und der Erholungspark Volkardey. "Der war eine strategische Entscheidung. Wir wollten verhindern, dass dort gebaut wird."

Dass er als gelernter Jurist sich zunehmend als Stadtplaner und -gestalter betätigte, war damals für manchen gewöhnungsbedürftig. "Die Stadt sollte nicht weiter in die Fläche gehen. Inmitten der Großstädte musste Ratingen eine grüne, historische Insel bleiben, durfte nicht ausfransen." Warum er sich so für die Stadt ins Zeug gelegt hat? "Ratingen ist meine Heimat, meine Liebe", sagt er, und es klingt nicht einmal pathetisch.

Deshalb will er sich auch jetzt noch einmischen und einbringen. Andere 75-Jährige pflegen ihren Garten oder machen Ausflüge mit den Enkeln. Dahlmann nicht. Er studiert derzeit im achten Semester Geschichte und antike Kultur, im nächsten Jahr ist der Bachelor-Abschluss geplant. Oder er sitzt in Fachausschüssen im Stadtrat - als sachkundiger Bürger für die Bürger Union.

Als Ruheständler übernahm er vor fünf Jahren beim FDP-Stadtverband den Geschäftsführerposten, ohne Parteimitglied zu sein. Parallel dazu war er im Lintorfer CDU-Ortsverband aktiv, Mitglied in der CDU seit seinem 17. Lebensjahr.

Nach Differenzen mit der Ratinger Parteispitze trat er im vergangenen Jahr aus - und ist jetzt bei der Bürger Union untergekommen. "Nein, das hat nichts mit Eitelkeit oder der Gier nach Einfluss zu tun", entgegnet Dahlmann entsprechende Unterstellungen. "So lange ich fit bin, möchte ich über einzelne Sachen mitbestimmen. Aber natürlich frage ich mich auch, ob man sich das noch antun muss."

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