Ratingen: Vorsitzende des Klimabeirates hat ,,noch viel zu tun."

Mit 41 fing sie ihr Studium an, mit 50 wurde sie Lehrerin und mit 81 ist sie leidenschaftliche Umweltschützerin und Vorsitzende des Klimabeirates: Edith Feltgen.

Ratingen. Es kommt nicht mehr oft vor, dass sich Edith Feltgen mit einer Entscheidung schwer tut. Die Sache mit dem Lieblingsort ist aber so eine. "Es gibt so viele besondere Plätze in Ratingen", sagt sie und schiebt ihr Fahrrad über die Stufen aus dem Keller ins Freie. Flink geht das, schließlich ist sie fast jeden Tag mit dem Rad unterwegs. Das Auto hat sie längst abgeschafft, aus Überzeugung.

Der Marktplatz ist ihr erstes Ziel. "Der Markt verbindet einfach alles Positive dieser Stadt", schwärmt sie. Auf dem Weg dorthin hat sie wenig Zeit zum Gespräch. Sie wird einfach zu oft gegrüßt. "Schick sehen sie heute aus!", ruft ihr eine Nachbarin zu. Es ist keine platte Schmeichelei. Wer Edith Feltgen in ihrer farbenfrohen Strickjacke mit dem jugendlichen Pagenschnitt lachen sieht - und sie lacht viel - der glaubt ihr das stolze Alter kaum.


Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie zum Altwerden einfach keine Zeit hat. Sie kann sich zwar noch an jeden Tag des Zweiten Weltkriegs erinnern - bei Kriegsausbruch war sie zwölf - doch sie spricht lieber von der Sitzung des Klimabeirats, die sie am Donnerstag geleitet hat. Oder von den Zielen, die sie in Sachen Klimaschutz hat. "Es gibt so viel zu tun."

Und mit einem schelmischen Lächeln verrät sie, an welchem Ort sie sich noch besonders wohl fühlt: Auf dem Chefsessel im Ratssaal. "Dort merke ich, dass ich etwas bewegen kann." Als Vorsitzende des Klimabeirats kann sie das am besten, im Stadtentwicklungs- und Umweltausschuss hat sie immerhin Rederecht. Nach 30 Jahren im BUND, vielen Jahren an der Spitze des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs und zehn Jahren Aufbauarbeit im Klimabeirat weiß niemand so gut wie sie: Umweltschutz ist ein mühsames Geschäft. "Zu unseren Sitzungen ist noch nie ein prominenter Vertreter der Stadtverwaltung gekommen", sagt sie und seufzt. Auch von der CDU habe sich noch niemand blicken lassen. "Aber das gehört eben zu den dicken Brettern, die wir bohren müssen." Und schon lacht sie wieder, herzhaft und ansteckend.

Schnelle Ergebnisse erwartet Edith Feltgen nicht. Sie hat Geduld. Die Erkenntnis, dass Veränderung jederzeit möglich und wichtig ist, zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Dass sie nach der Schule nicht studieren durfte, weil es für Frauen einfach nicht vorgesehen war, hat sie nicht geschreckt. Nach vielen Jahren als Angestellte in der Industrie beschloss sie mit 41, dass sie den Menschen mehr geben wollte - und nahm das Lehramtsstudium auf. Eine Exotin im Hörsaal. "Aber es war gar nicht so schwer, wie gedacht. Ich habe die neue Freiheit von Herzen genossen", erinnert sie sich.

Sie blieb stets eine Ausnahmeerscheinung. "Meine erste Schulklasse war ein bisschen enttäuscht, weil sie eine junge, knackige Referendarin erwartet hatte, das war aber schnell überwunden." Nach 14 Jahren im Schuldienst traf sie die nächste, schwerwiegende Entscheidung: Sie ging in den vorzeitigen Ruhestand und verzichtete auf ein gutes Stück ihrer Rente, um sich voll ihren Ehrenämtern widmen zu können. "Ich bin bescheiden aufgewachsen, ich brauche den Wohlstand nicht", sagt sie.

Was sie dagegen braucht, sind die Menschen um sich herum. Seit Jahrzehnten singt die Protestantin im Kirchenchor St. Peter und Paul ("Ich wollte Katholiken kennen lernen"), unterrichtet Englisch beim Sozialdienst katholischer Frauen, betreut ältere Chormitglieder, liest in einem Literaturzirkel, ist im BUND und den Klimagremien aktiv, macht Gymnastik und schwimmt in der Gruppe. Nur von einer Partei wollte sie sich nie vereinnahmen lassen. "Klimaschutz ist viel zu wichtig, um Opfer von Parteikalkül zu werden", findet sie.

Nächstes Jahr wird im Klimabeirat gewählt. Es wäre eine gute Gelegenheit, etwas kürzer zu treten, denkt sie manchmal, mehr Zeit für Freunde und für sich selbst zu haben. "Doch das macht sonst keiner, keiner so wie Du", sagen ihr die Leute dann. Und Sie? "Wahrscheinlich mache ich weiter", sagt sie. Diese Entscheidung dürfte ihr leicht fallen.

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