Ratingen: Schulung für Hauspersonal

Eine Ratingerin schult das Hauspersonal der Wohlhabenden. Ihre Dienste sind den prominenten Kunden 1000 Euro am Tag wert.

Ratingen. Ursula Bolhuis kann es nicht lassen. "Da müsste dringend die Glühbirne ausgetauscht werden", sagt sie mit kritischem Blick an die Zimmerdecke. "Viel zu eng", beäugt sie die Anzug-Passform eines Hotelangestellten. Und schnell gerät auch eine schief stehende Vase in ihr Visier. Auch wenn sie gerade nicht beruflich unterwegs ist, enttarnt die 37-Jährigen die Schwächen jedes Dienstleistungsunternehmens.

In ihrer Branche ist der Kunde König - in ihrem speziellen Fall auch häufig ein Fürst. Ursula Bolhuis schult Hauspersonal gehobener Privathaushalte - adeliger Familien, Großindustrieller, Politiker und Prominenter. Sie kennt die Ansprüche der oberen 10000, geht in ihren prunkvollen Villen ein und aus.

Mit ihrer in Ratingen ansässigen Firma "Struktur-Wandel" hat die 37-Jährige ein altes Arbeitsfeld wiederentdeckt und an heutige Ansprüche angepasst. "Die Vorstellung, dass Dienstpersonal heute mit Häubchen und weißer Spitzenschürze herumläuft entspricht nicht mehr den Tatsachen", sagt sie. Dennoch sei der Anspruch der "Herrschaften" hoch.

Der Tagesablauf muss reibungslos funktionieren. Sonderwünsche müssen erfüllt werden. Materialreinigung und -pflege, Kochen und Servieren stehen ebenso auf dem Plan wie Vorratshaltung und Haushaltstechnik. Die Schulungen finden stets im Haus des Kunden statt. Dabei packt Bolhuis auch gerne selbst mit an.

Geld regiert die Welt, weiß Bolhuis. Je gehobener der Haushalt, desto ausgefallener die Wünsche - ob nun der Tee bernsteinfarben oder die Wurstscheibe genau vier Milimeter dick sein soll. "Ein Kunde zog sich dreimal am Tag um. Eine Vollzeitkraft beschäftigte sich also allein damit, täglich frische Hemden zu waschen, bügeln und zu stärken." Ein anderer wollte, die Porzellanfiguren in der Glasvitrine millimetergenau arrangiert sehen. Ein anderer Kunde kündigte an, dass er das Personal feuern würde, erlebe er es einmal, dass keine Tinte im Füller sei.

Das Personal war überfordert. "Es fehlt häufig an Struktur unter den Angestellten. In diesem Fall stelle ich einen Plan auf, optimiere die Abläufe, berechne die Laufwege", erklärt Bolhuis. Die Lösung in diesem Fall sah so aus: "Jede Angestellte sollte einen Papierstreifen in der Schürze mit sich herumtragen und in regelmäßigen Abständen mit dem Füller einen Streifen aufs Papier zeichnen. "So konnte man zum einen vermeiden, dass der Füller austrocknete und hatte die Gewissheit, dass der Füller stets gefüllt war", sagt Bolhuis.

So unterschiedlich die Wünsche der Hauseigentümer auch sind, eins ist jedoch in allen Haushalten gleich: Altbewährte Formen sind gefragt. "Auch eine Rockband wünscht einen gepflegten Umgangston vom Hauspersonal, die Kleidung muss gepflegt sein, die Frisur muss sitzen", erzählt Bolhuis.

Mit ihrer Dienstleistung hat sie eine Marktlücke entdeckt: "Qualifiziertes Personal ist in Deutschland begehrt, aber rar", so die 37-Jährige. Sie selbst hat noch die alte Schule gelernt. Nach ihrem Realschulabschluss machte sie in Norddeutschland eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin, danach einen Abschluss auf der Fachschule zur Hauswirtschaftlichen Betriebsleiterin - der Hausdame.

Als Hausdame tingelte sie acht Jahre in der Welt herum - Kalifornien, Florida, Sardinien, München. Mit Mitte 20 begann sie noch einmal ein Studium. Sie studierte Ernährungslehre (Ökotrophologie) in Mönchengladbach und arbeitete zwei Jahre bei einem Personalvermittler.

Vor drei Jahren machte sich die 37-Jährige selbstständig, seit fünf Jahren wohnt sie in Ratingen. "Der Flughafen liegt praktisch direkt vor der Haustür, in 45Minuten kann ich mit dem Flieger bei meinem aktuellen Kunden im Allgäu sein", sagt sie. Manchmal ist die Reise aber auch etwas komfortabler. "Manchmal werde ich auch mit dem Privat-Jet abgeholt", sagt sie.

Darauf kommt es den gut situierten Kunden dann auch nicht mehr an: Für Ursula Bolhuis’ Dienste müssen sie in der Regel 1000 Euro am Tag hinlegen. Anreise und Unterkunft werden ihr selbstverständlich bezahlt. Doch nicht nur fachliche Kompetenz ist den Kunden wichtig.

"Diskretion ist das A und O in der Branche. Schließlich hat man Zugang zur Privat- und Intimsphäre, legt Wäsche zusammen, macht das Bett", sagt sie. Namen, die wird man von ihr nie erfahren, ganz gleich, wie groß die Neugier auch ist.

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