Ratingen: Rohre für die ganze Welt

In Ratingen stellt ThyssenKrupp Spezialgerät her, das so kaum an einem anderen Ort produziert werden kann.

Ratingen. Es donnert und dröhnt, die Funken sprühen im hohen Bogen - doch Wieslaw Morawski bleibt gelassen. Der Spezialist steht an der Rohrbrennschneidanlage und sorgt mit ruhiger Hand dafür, dass die Maschine - so lang wie ein Omnibus - einen sauberen Schnitt brennt. Und zwar einen halbrunden, das ist das Besondere. So kann das Rohr später senkrecht auf einem anderen verschweißt werden.

Nur wenige Unternehmen weltweit können das leisten, was ThyssenKrupp an der Borsigstraße vollbringt: tonnenschwere Rohre aus Stahl und Edelstahl zurechtsägen, gehren, oder eben Konturen schneiden. Kaum ein anderes Unternehmen hat die Maschinen dafür. Ratingen ist eine Drehscheibe für das globale Geschäft mit den Metallrohren. "Wir kaufen in allen Erdteilen ein, konfektionieren die Rohre und verkaufen kleinere Einheiten in alle Länder weiter", erklärt Betriebsleiter Peter Helten.

Anlässlich der Düsseldorfer Fachmesse "Tube" hat er eine handvoll Besucher in die gewaltigen Hallen an der Borsigstraße eingeladen. Einen halben Kilometer ist das "Logistikcenter Rohre" (LCR) lang, früher firmierte es unter Mannesmann, heute unter ThyssenKrupp.

Die Besucher müssen weiße Helme tragen - und sich vorab Sicherheitshinweise und die Verkehrsregeln der LCR-Welt anhören. "Trägt jemand einen Herzschrittmacher? Das ist kein Scherz", sagt Helten warnend. Denn die 26 Krane, die auf Schienen an der Hallendecke gleiten, heben ihre Lasten - bis zu drei Tonnen - mit mächtigen Magneten.

Zum Fürchten ist es drinnen dann zwar nicht, aber allemal einschüchternd: In schier endlosen Reihen stapeln sich die Rohre nach einem System, das sich dem Besucher nicht erschließt. Auf kleinen Zetteln weist sich jedes Stück aus, zusätzlich ist ein individueller Code eingraviert.

Der Aufwand hat einen guten Grund. Die Rohre stellen hohe Werte dar: 3000 Euro kostet beispielsweise ein mittelgroßes Exemplar aus Edelstahl. Die größten Stücke haben einen Durchmesser von 66 Zentimetern und eine Länge von 14,50 Metern. Die hohen Preise ergeben sich aus dem Material, aber auch durch die Technik: Nahtlose Rohre sind schwer herzustellen. Ein typisches Verfahren ist, ein dünnes Loch durch den Stahl mit einem Dorn auszuweiten. Aber das dauert.

Dabei sind Rohre in der Industrie so notwendig wie Steine im Baugewerbe. Ohne sie würden keine großen Maschinen laufen, könnten weder Krane konstruiert, noch Gase über Land transportiert oder Flüssigkeiten durchs Meer geleitet werden. Deshalb wirkt sich auch die anziehende Weltwirtschaft in dieser Sparte direkt bemerkbar: Zur "Tube" strotzt die Branche wieder vor Optimismus. Und auch Peter Helten macht sich keine Sorgen mehr um die 180 Ratinger Mitarbeiter: "Etwa seit Karneval geht hier die Luzi ab."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort