Ratingen: Gewalt-Video ruft zur Zivilcourage auf

Käthe-Kollwitz- Schüler haben in einem landesweiten Wettbewerb den fünften Platz belegt. In ihrem Videoclip rufen sie zur Zivilcourage auf.

Ratingen. Franziska bezeichnet sich selbst eigentlich eher als schüchtern. In der Klasse meldete sie sich noch bis vor Kurzem selten, freies Sprechen mochte sie überhaupt nicht. "Ich fühl’ mich jetzt viel selbstbewusster", sagt die 16-Jährige überzeugt. Mitschülerin Elena Wert ergänzt: "Der Erfolg bestätigt einen, zeigt, dass man etwas richtig macht."

Und damit spricht die 16-Jährige ihren Mitschülern aus dem Wahlpflichtfach Kommunikation an der Käthe-Kollwitz-Realschule aus dem Herzen. Die 18-köpfige Schülergruppehatte sich im November mit einem Videoclip zum Thema Jugendgewalt am NRW-weiten Wettbewerb, dem Martin-Gauger-Preis, beworben. Jetzt durften sie sich über den fünften Platz freuen.

Alle zwei Jahre verleiht der Bund der Richter und Staatsanwälte in NRW den Preis, der nach dem einzig namentlich bekannten Juristen benannt ist, der es im Zweiten Weltkrieg ablehnte, den Eid auf Adolf Hitler zu leisten. Das Thema Gewalt wurde in diesem Jahr gewählt, um Jugendliche selbst darstellen lassen, wie sie Gewalt untereinander erfahren und Lösungsmöglichkeiten finden.

Die Käthe-Kollwitz-Schüler haben sich in ihrem Beitrag einem bestimmten Aspekt gewidmet. "Der Clip handelt davon, dass man sich nicht von einer Gruppe unterdrücken lassen, sondern sich für andere einsetzen sollte", erklärt Franziska Kilian.

Mit Videodreh hatten die Schüler allerdings noch keine Erfahrung. Mit Schauspielerei schon eher. Der Wahlpflichtkurs hatte bereits Besuch von einer Schauspielerin, die die Schüler in die Geheimnisse der nonverbalen Kommunikation - Mimik, Gestik und Ausdruck - einweihte.

Dennoch: Mit dem für die Schüler großen Erfolg, auf einem der Siegertreppchen zu landen - die Plätze 1 bis 5 wurden prämiert - hatten sie dennoch nicht gerechnet. "Die Konkurrenz war echt groß", erzählt Vanessa Siegmund(15). Insgesamt 40 Beiträge zählte die Jury, bestehend aus Lehrern und Richtern. Aber nur ein Videoclip war dabei.

"Die Idee, einen Film zu drehen, lag eigentlich ziemlich nahe. Wir hatten für die Pogromnacht bereits eine Aufführung vorbereitet und haben sie nur abändern müssen", erklärt Mandy Steininger.

Mit weißen Gipsmasken vor den Gesichtern und in Schwarz gekleidet stellen die 16 Mädchen und zwei Jungen verschiedene Gewaltszenen nach, treten abwechselnd nach vorne, nehmen die Maske ab und appellieren immer wieder: "Sag’ Nein. Wenn dich einer anstacheln will, deine Mitschüler heimlich mit Gewalt zu unterdrücken. Sag’ Nein. Denn eine Mehrheit, die sich feige hinter einer Maske verbergen will, darf es nicht mehr geben.

Die Botschaft ist den Jugendlichen deutlich geworden. "Gewalt ist etwas, das uns jeden Tag begegnet", sagt Mandy. Und Vanessa ergänzt: "Sie fängt nicht erst da an, wo Leute verprügelt werden. Schon mit einer Lästerei hinter dem Rücken des anderen verletzten wir Menschen."

Die Schüler kennen Mobbing, haben in ihrer Klasse bereits Erfahrung damit gemacht. "Lehrer merken es meist nicht, wenn eine Schülergruppe einen Einzelnen unterdrückt. Da ist es wichtig, dass einer der Schüler aufsteht und sich für den Schwächeren einsetzt", sagt Elena Brinster.

Auch Kursleiterin und Konrektorin Ilse-Angelika Jones weiß, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen: "In so einem großen Schulzentrum wie in Ratingen-West müssen wir Toleranz üben."

Für den elfminütigen Film haben die Schüler insgesamt vier Wochen gearbeitet. "Das ist eines der Projekte, bei denen der Lerneffekt sehr groß ist", sagt Kursleiterin Jones. Nicht nur, dass die Schüler mit viel Einsatz und Eigenverantwortung gearbeitet haben, sie seien auch persönlich gewachsen. "Stille Schüler sind regelrecht aufgeblüht", so Jones.

Die Arbeit hat sich gelohnt. In der vergangenen Woche durften die Schüler nach Recklinghausen fahren und ihren Preis entgegen nehmen. "Martin Gaugers Neffe war anwesend. Das war schon etwas Besonderes", findet Vanessa. Eine Urkunde und 100 Euro haben die Schüler erhalten.

Große Sprünge können sie damit zwar nicht machen, darauf komme es aber auch nicht an. "Vielleicht legen wir noch etwas drauf und gehen dann zusammen ins Theater", sagt Elena Brinster.

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