Ratingen: Ein Energiebündel auf Kufen

Eishockeyspielerin Julia Wierscher (37) hat in der deutschen Nationalmannschaft gespielt. Heute ist sie Co-Trainerin und saust für die Ratinger Ice Aliens über’s Eis.

Ratingen. Ohne Sport geht es einfach nicht. Das ist Julia Wierschers Erkenntnis nach einer kleinen Schaffenspause. "Das hat mich damals regelrecht krank gemacht", erinnert sie sich. Schon als Kind habe sie sich im Mannschaftssport messen, mit anderen vergleichen wollen. Nach 15 Jahren aktiver Eishockey-Karriere hatte die 37-Jährige sich erst einmal für knapp zwei Jahre aus dem Geschäft zurückgezogen. Seit Dezember 2007 steht sie nun aber wieder auf dem Eis, spielt bei den Ratinger Ice Aliens und hat nach ihrer aktiven Spielerzeit in der deutschen Nationalmannschaft der Damen den Job der Co-Trainerin übernommen.

"Egal wie stressig es ist, ich versuche immer mindestens einmal in der Woche auf’s Eis zu steigen", sagt Wierscher und grüßt ihre Teamkolleginnen im Vorbeigehen. In der Eissporthalle herrschen Minustemperaturen, mit jedem Gruß wird die drahtige Sportlerin von einer Atemwolke umnebelt. In wenigen Minuten beginnt das Training der weiblichen Ice Aliens, auf den Zuschauerrängen haben sich einige Gäste versammelt. "Das sind die ganz treuen Seelen", scherzt Wierscher. Der Eishockeysport der Damen habe schließlich nicht den besten Stand, habe sich aber in den vergangenen Jahren ein wenig gemausert. "Einige wissen nicht einmal, dass die Ratinger Ice Aliens überhaupt eine Damenmannschaft haben", sagt Wierscher und reibt ihre Hände wärmend aneinander. Zumindest bei den jungen Frauen in Ratingen habe sich das aber mittlerweile herumgesprochen.

Die Ice Aliens zählen heute 36 Spielerinnen, 2007 bestand der Kader aus 16 Damen. Dafür hat sicherlich auch Julia Wierscher beigetragen. Sie hat einen Draht zu jungen Leuten, ist Ansprechpartner und Motivator - auch im Training. Schließlich ist sie der "alte Hase" im Team. Ihre Mitspielerinnen kennen den beeindruckenden sportlichen Werdegang der 37-Jährigen. Und sie wissen: Um erfolgreich zu sein, müssen sie nicht bereits mit vier Jahren wie eine Eins auf den Kufen gestanden haben. Wierschers Weg zum professionellen Eishockeysport verlief nämlich nicht ganz geradlinig. Erst mit 22 Jahren steht sie zum ersten Mal auf dem Eis. "Das war eigentlich reiner Zufall. Ich lief mit Freunden auf einem zugefrorenen Teich Schlittschuh. Dann sprach mich ein Freund darauf an, wie gut ich fahren könnte und brachte mich auf die Idee, es doch mal mit Eishockey zu probieren", erzählt die Blondine und zieht sich die Wollmütze über die Ohren. "Ich hab’s dann einfach ausprobiert."

Ihr erster Verein wird der EC Hannover. Später wird sie für die Nationalmannschaft entdeckt, spielt mit ihr zweimal beim Air Canada Cup mit und nimmt an drei Weltmeisterschaften teil. "Mein sportliches Hightlight war aber auf jeden Fall die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City. Ich erzielte damals den ersten Treffer. Das vergesse ich nie", sagt Wierscher strahlend. Mittlerweile hat sie sich die Schlittschuhe übergezogen, die weiße Wollmütze gegen den Helm eingetauscht und steht bereits auf dem Eis. Mit beiden Händen auf die Bande gestützt, lässt sie ihre Füße über das Eis gleiten.

In Bezug auf ihre berufliche Karriere ist das Energiebündel über die Jahre Slalom gefahren: Zunächst studiert Julia Wierscher auf Lehramt. Vor dem zweiten Staatsexamen juckt es ihr dann aber doch in den Beinen: Sie beginnt an der Kölner Sporthochschule ein sportwissenschaftliches Studium - ein "Genuss-Studium", wie sie es nennt. Nach dem Abschluss macht sie sich selbständig, arbeitet als Personal-Trainerin.

Jetzt hat sich Wierscher noch einmal auf’s Glatteis gewagt: Sie will ihr zweites Lehramts-Staatsexamen machen, um als Lehrerin arbeiten zu können. Zurzeit macht sie ihr Referendariat in Hochdahl an der Carl-Fuhlrott-Hauptschule. "Ich konzentriere mich zurzeit voll und ganz darauf. Da kommt der Sport manchmal etwas zu kurz", sagt Wierscher. Aus der Nationalmannschaft hat sie sich bereits vor zwei Jahren zurückgezogen, arbeitet seitdem als Co-Trainerin. "Dass ich auch weiterhin meinem Sport nachgehen kann, verdanke ich der Schulleiterin. Sie hat Verständnis für meine Leidenschaft und unterstützt mich, wo es geht", sagt Wierscher.

Und mit einem kurzen, herzlichen Gruß ist sie auch schon in die Mitte des Eishockeyfeldes gesprintet und passt ihrer Teamkollegin den Puck zu.

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