Ratingen: Die Welt sitzt gegenüber

In Ratingen wird an der Zukunft der Kommunikation gearbeitet. Und die liegt, da ist man sich bei Tandberg sicher, im bewegten Bild.

Ratingen. Mr. Spock würde sich im T3 sofort wohlfühlen. Der futuristische Konferenzraum sieht ein wenig aus wie die Kommandobrücke im Raumschiff Enterprise: kühl, elegant, funktional.

Am Tisch-Oval wartet schon Alex und grüßt freundlich: "Hello, how are you?" Er trägt Büro-Uniform, seine Stimme klingt fest, die Hautfarbe ist gesund.

Nur etwas flach wirkt er. Aber was soll man erwarten? Alex Lloyd-Adams, Produktmanager bei Tandberg, sitzt schließlich gerade in London - natürlich ebenfalls in einem T3. Sein Bild wird mit hoch auflösenden Kameras nach Ratingen übertragen.

Die Illusion ist perfekt. Die eine Hälfte des Konferenzraums mit seinen sechs schweren Ledersesseln ist real, die andere Hälfte befindet sich auf drei riesigen 65-Zoll-Monitoren.

"Full HD natürlich", sagt Chris Maurer, Marketing-Chef bei Tandberg Deutschland, beiläufig. "Der blaue Hintergrund verstärkt den dreidimensionalen Eindruck." Er hat das Meeting mit London eigens für die WZ arrangiert. Und Alex geht in die Vollen. Während er über die Technik plaudert, sucht er oft den Blickkontakt. Das ist irritierend und faszinierend zugleich.

Routiniert bedient er den Kontroll-Monitor. "Wir holen mal Stockholm dazu", sagt er in schönstem Brit-Englisch, und in einer Ecke der Monitorwand erscheinen sechs verwaiste Ledersessel. Und dann noch Tandberg Zürich: Die Runde vergrößert sich auf 24 Plätze - fast alle menschenleer.

Alex hat noch ein Ass im Ärmel, öffnet ein weiteres virtuelles Fenster und ruft eine Kollegin in Zürich an. Die ist überrumpelt, guckt irritiert in die Kamera. Rein akustische Telefone sind bei Tandberg nämlich verpönt, jeder Mitarbeiter hat eine Kamera am Arbeitsplatz.

Langsam wird die Konferenz kompliziert. Doch den Überblick verliert man nicht so leicht. Wer nämlich die Stimme erhebt, wird vom System automatisch in Lebensgröße eingeblendet, die anderen Akteure verschwinden am Rand. Nur sich selbst sieht man nie. "Das tut man in einer normalen Konferenz ja auch nicht. Der Clou ist, dass alles so selbstverständlich und realistisch ist wie möglich", sagt Maurer.

Bildtelefonie war gestern. "Telepresence" heißt die Gegenwart. Und an der Zukunft wird auch bei Tandberg in Ratingen gearbeitet. Von weit her kommen die Manager, um sich das Wunder der Technik zeigen zu lassen. Das T3 ist Tandbergs Flaggschiff. 300 000 Euro ist der Listenpreis - und darin sind der speziell ausstaffierte Raum und die dicken Datenleitungen noch nicht enthalten.

Doch die Investition rechnet sich. "Wir gehen von einer Amortisation nach ein bis drei Jahren aus", sagt Chris Maurer. Viele große Unternehmen haben sich schon überzeugen lassen. Bayer zählt dazu oder der Traktor-Konzern John Deere. Auch in den Frankfurter Bankentürmen stehen T3s.

Doch es gibt auch bescheidenere Produkte aus dem Hause Tandberg: Das T1 ist so eins, quasi ein Drittel des T3. Sogar handliche Tischgeräte gibt es, oder reine Softwarelösungen. VW schult seine Mitarbeiter im mexikanischen Werk inzwischen per Live-Video. Und auch aus der Ratinger Nachbarschaft kommt eine Erfolgsgeschichte: Tandberg hat alle Vodafone-Mitarbeiter mit Kamera und Software ausgerüstet. Nun spart Vodafon nach eigenen Angaben 25 Prozent seiner Reisekosten.

Trotzdem muss der Marketing-Mann Maurer viel Überzeugungsarbeit leisten. "Viele Leute haben Ressentiments gegen Video-Konferenzen, weil sie das an die verstaubten Systeme in ihren Büros erinnert." Die Telekom hat in den 90er Jahren zusätzlichen Image-Schaden angerichtet, mit nutzlosen ISDN-Bildtelefonen: "Da hat man sich nur gegenseitig in die Nasenlöcher geguckt, das Bild war winzig und der Ton nicht synchron."

Auf die eigene Technik mag er dagegen nicht mehr verzichten. "Ich habe sogar bei meinen engen Geschäftspartnern ein System auf den Tisch gestellt. Ich will sie sehen, wenn ich mit ihnen spreche."

Und weil das, was für Normalsterbliche noch Science-Fiction ist, bei Tandberg längst zum Alltag gehört, sehen die Zukunftsvisionen dort ganz anders aus: Da gibt es etwa das Projekt "Wonderwall", bei dem eine ganze Wand zur interaktiven Projektionsfläche wird, die sich per Fingerzeig bedienen lässt.

Und auch an bewegten Hologrammen arbeiten die Tandberg-Forscher. Maurer: " Das steckt zwar noch in den Kinderschuhen, ist aber nur eine Frage der Zeit." Virtuelle Gesprächspartner, die sich dreidimensional im offenen Raum befinden und doch ganz woanders auf der Welt? Da würde sogar Mr.Spock die Ohren spitzen.

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