Neviges: Stadtgeschichte - Für jedes Detail eine Anekdote

Seit 17 Jahren ist Ursula Liskes als Gästeführerin unterwegs. Die WZ war bei der Drei-Kirchen-Führung dabei.

Neviges. "Durch den Stab, der die Bankreihen in zwei Hälften teilt, wurden früher die Frauen von den Männern getrennt", erklärt Ursula Liskes. Aus den ersten beiden Reihen der Stadtkirche ertönt leises Gelächter und ein mehrstimmiges "Ach so!".

Die Zuhörer haben sich schon in Gedanken gefragt, wofür dieser Stab wohl sein mag. Natürlich kann Ursula Liskes ihrer Gruppe nicht nur diese Frage beantworten sondern hat auch zu den kleinsten Details eine Anekdote parat.

Denn die 75-Jährige ist seit 17 Jahren Gästeführerin. Ihre Drei-Kirchen-Führung in Neviges ist besonders beliebt. Manchmal sind es Gruppen, die sogar mit dem Reisebus anreisen, um sich von Liskes Mariendom, alte Wallfahrtskirche und evangelisch-reformierte Stadtkirche zeigen zu lassen. "Die Leute kommen von überall her.

Große Resonanz habe ich immer aus Wuppertal. Es waren aber auch schon welche aus Süddeutschland und Kevelaer dabei", sagt Liskes. Am Freitag stehen neun Interessierte am Treffpunkt vor dem Dom. Gudrun Schwensow, Marga Grünke, Karin Comanns und Uschi Taracki sind extra aus Hagen gekommen.

"Ich habe einen Bericht über den Mariendom im Fernsehen gesehen und wollte ihn mir unbedingt anschauen", so Schwensow. Ihre drei Freundinnen von der Idee zu begeistern war nicht schwer. Die vier Rentnerinnen unternehmen jede Woche einen Ausflug.

Anhand der drei Kirchen gibt Liskes ihren Besuchern einen Einblick in die Nevigeser Wallfahrt. Und Liskes liebt die Nevigeser Kirchen. Wenn sie vom Dom spricht, liegt Leidenschaft und Herzblut in ihrer Stimme: "Der Dom ist eine Skulptur. Es sind die Zelte derer, die auf dem Weg zu Gott sind."

Mit ihrem Elan steckt sie sofort ihre Zuhörer an. "Ja, genau! So erkläre ich den Dom auch allen. Er ist meine absolute Lieblingskirche. Besonders, weil er in unserer Generation erbaut wurde", sagt Ruth Bräuer. Immer wenn die Velberterin in Neviges ist, stattet sie dem Dom einen Besuch ab. Besonders die Architektur gefällt ihr.

Wenn auch nicht verzückt, danndoch beeindruckt von dem mächtigen Bauwerk sind auch die Damen aus Hagen. "Von außen ist er gewöhnungsbedürftig. Wir haben ihn zuerst gar nicht gefunden. Ein Dom stellt man sich ja eher so klassisch wie den Kölner Dom vor und nicht so modern", sagt Uschi Taracki.

Dafür sind alle von der kleinen Stadtkirche ganz hingerissen: "Ganz, ganz süß!" Bei Jutta Schmahl weckt die kleine Kirche eher Kindheitserinnerungen. Die gebürtige Nevigeserin lebt seit über zehn Jahren in Österreich. "Jetzt wollte ich mir mal wieder anschauen, wo ich meine Kindheit verbracht habe."

Einige Wochen hat Ursula Liske in Büchereien und Archiven gestöbert, um alle Informationen zu den drei Kirchen zusammenzutragen. Sie hilft in Erinnerungen zu schwelgen und Unklarheiten aufzudecken. Doch so manches Mal muss Liskes ihre Besucher auch desillusionieren.

"Ich hatte mal eine Gruppe aus Kevelaer, die waren furchtbar enttäuscht, als ich gesagt habe, dass hier zu zwei Drittel Protestanten leben. Das konnten die bei einem Wallfahrtsort gar nicht verstehen", sagt sie lachend.

Liskes´ Lieblingskirche ist die alte Wallfahrtskirche, weil die so "heimelig" ist. Bei ihren Besuchern sind die Meinungen am Ende der Führung geteilt. Doch in einem sind sie sich alle einig: "Ohne eine Führung könnte man die Bedeutung und die versteckten Details des Mariendoms gar nicht deuten", bringt es Karin Comanns auf den Punkt.

Die Jakobsmuschel als immer wiederkehrendes Muster im Boden und die sich immer wiederholenden Farben rot für die Liebe, grün für die Hoffnung und blau für den Glauben in den prachtvollen Fenstern, wären den Besuchern ohne Liskes vielleicht dann doch entgangen.

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