Neviges: In fünf Minuten zieht der Meister an 26 Brettern

Wie Verbandsliga gegen Champions League: Ulf Andersson spielt beim Simultanschach in einer anderen Liga und fasziniert so seine Gegner.

Velbert-Neviges. Absolute Stille herrscht im evangelischen Gemeindehaus, in dem 26 Schachspieler aus der Region gegen den schwedischen Großmeister Ulf Andersson zum Simultanschach angetreten sind: Schachbrett an Schachbrett reiht sich auf den im Rechteck angeordneten Tischen. Außen sitzen die Herausforderer, innen zieht der Großmeister seine Runde. Das leise Brummen einer Leuchtstoffröhre scheint in der Stille geradezu zu dröhnen.

Zum zweiten Mal richten die Schachfreunde Neviges ein Simultanturnier aus - es ist die große Chance, einmal auf eine Schach-Koryphäe zu treffen, gegen die man als Einzelspieler hoffnungslos unterlegen wäre.

Im evangelischen Gemeindesaal muss der Schwede insgesamt 26 Partien gleichzeitig im Blick haben. Rund fünf Minuten benötigt er für einen Umlauf, so lange kann jeder Gegenspieler den nächsten Zug durchdenken. Der erfolgt, wenn der Meister wieder vor dem Brett steht, danach dauert es meist nur Sekunden, bis Andersson seine Figur führt. Selten verharrt er länger, denkt nur kurz nach, bevor er sich dem nächsten Brett zuwendet.

Fast jeder Spieler protokolliert die Züge, auch Oliver Rohleder: "Damit man die Partie später nachspielen und analysieren kann, wo man Fehler gemacht hat", erläutert der Vorsitzende der Schachfreunde wispernd. "So ein Turnier ist schon etwas besonderes", flüstert sein Vereinskollege Martin Binas. Nach zehn Zügen sieht er sein Spiel noch relativ ausgeglichen, aber keine reale Chance auf einen Sieg: "Andersson ist eine ganz andere Liga."

Rohleder zieht einen Vergleich zum Fußball - es wäre ein Spiel Champions-League gegen Verbandsliga.

Dabei hat der 59-jährige Schwede, der heute für die Schachfreunde Gerresheim Brett 1 in der zweiten Bundesliga besetzt, schon den Zenit seiner Karriere überschritten: In den 80er Jahren Dritter der Weltrangliste, stellte er 1996 sogar einen acht Jahre gültigen Rekord im Simultanschach auf, bei dem er gegen 310 Gegner antrat. Nach 15 Stunden endeten 40 Partien remis, ganze zwei gingen verloren.

Derweil leisten die Nevigeser tapfer Widerstand - erst nach zweieinhalb Stunden ist der erste Spieler matt: "Das war länger als erwartet", sagte Rohleder. Nach sechs Stunden ist das Turnier beendet. Vier Remis haben die Schachfreunde eingefahren, alle anderen Partien hat der Schwede für sich entschieden; für Rohleder dennoch eine gute Bilanz. Besonders das Abschneiden des Jüngsten freut ihn. Der siebenjährige Nevigeser Adriano Mocellin, der neben seinem zwei Jahre älteren Bruder Juliano und seinem Vater Thomas antrat, hat es unter die letzten acht geschafft: "Der Junge hat Talent", befindet Anderssons Lebensgefährtin Gisela Fischdick, Turnierbeobachterin und selbst Großmeisterin des königlichen Spiels.

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