Lesung in Ratingen: Eine Bluttat im Vollrausch

Die Abendrealschule geht bei der Drogen- und Gewaltprävention neue Wege: Lesung und Diskussion über einen Mord nach einem Alkoholexzess.

Ratingen. Alkohol und Gewalt - ein Paar, das schon viel Leid und Elend verursacht hat. Dass Gewalt oft eng mit Alkohol- und auch Drogenmissbrauch zusammenhängt, wissen auch die Schüler des zweiten Semesters der Franz-Rath-Abendrealschule, die zu diesem Thema ein besonderes Unterrichtsprojekt auf die Beine gestellt hatten.

Die Unterrichtsreihe war eng an einen Mordfall angelehnt, der sich 2005 im niederrheinischen Straelen ereignet hatte: Der 18-jährige Bernd K. war auf offener Straße heimtückisch niedergestochen worden. Trotz schneller Rettungsmaßnahmen verblutet er am Tatort.

Erst 13 Monate später stellte sich der Täter der Polizei: Sascha G. - er war 17, als er unter starkem Alkoholeinfluss stehend, sieben Mal mit dem Messer auf Bernd K. einstach. Täter und Opfer kannten sich nicht, Bernd wurde wegen einer Verwechslung angegriffen und getötet. Auf den Täter gab es keinerlei Hinweise, die Polizei tappte völlig im Dunkeln und hätte ihn auch nie gekriegt.

Diese Geschehnisse und auch den Prozess hat der Autor und Journalist Heiner Frost in einer Gerichtsreportage aufgearbeitet, die unter dem Titel "Mordswut" veröffentlicht wurde. Nach der gemeinsamen Lektüre blieben bei den Abendrealschülern viele Fragen offen, was Klassenlehrerin Claudia Weisner auf die Idee brachte, den Autor wie auch andere, die mit dem Mordfall zu tun hatten, nach Ratingen zu holen.

Gestern standen neben Frost auch der Rettungssanitäter Klaus Kriegel und die Kriminalbeamtin Ludgera Hoppmann den Schülern Rede und Antwort. Gebannt verfolgten die Schüler deren Ausführungen. "Warum hat sich Sascha nach so langer Zeit gestellt?", wollter Rebecca (18) wissen. "Er konnte den Druck nicht mehr aushalten." Die Situation sei durch Alkohol, durch Komasaufen entstanden, an die Tat hatte er keine Erinnerung. Er musste alles selbst verarbeiten und dann regte sich sein Gewissen."

Kriegel war der Rettungssanitäter, der Bernd K. als erster vor Ort versorgte, der ihm aber quasi unter den Händen starb. Kriminalbeamtin Ludgera Hoppmann war bei den Ermittlungen dabei. Beide hatten nach Abschluss des Prozesses Frosts Buch gelesen und das Geschehen aufgearbeitet. Hoppmann: "Hier kann nicht Schluss sein, junge Menschen müssen sich weiter damit beschäftigen."

Deshalb sei sie jetzt verstärkt im Bereich Opferschutz und Prävention aktiv. Aus ihrer Sicht gebe es viele Opfer - darunter die Mutter, die ihr Kind verloren hat, und die, deren Kind Mörder geworden ist und das auch wusste, es aber nicht fertigbrachte, ihr Kind anzuzeigen.

"Wie geht es den Eltern heute?", "Hat das Mordopfer vor seinem Tod noch etwas gesagt?", "Wie reagierte Sascha auf das Urteil?", "Wie konnte man nachweisen, dass der Täter betrunken war?" Die Abendrealschüler hatten an den Ausführungen zu knacken, die Fragen kamen oft nur zögerlich. Sascha wäre ohne den Alkoholexzess nicht zum Mörder geworden, Bernd würde noch leben.

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