Hösel: Wohnen im Denkmal

Wie ist es, in einem Baudenkmal zu wohnen? Unsere Redaktion stellt einen Ratinger vor, der das genau wissen muss.

Hösel. Das emaillierte Blechschild mit dem Wappen des Landes hält Til Kleinstäuber in allen Ehren. "Das hat uns die Stadt zum Einzug geschenkt, das hat mich sehr gefreut", sagt er. "Denkmal" steht darauf. Es ist wohl als versöhnliche Geste zu verstehen, dafür, dass die Kleinstäubers nie alleine über ihr Haus in der Preußenstraße verfügen können. Die Denkmalbehörde hat fast immer ein Wörtchen mitzureden.

Den Hausherrn stört das nicht. "Das hat ja auch sein Gutes", findet der. Die Behörde will das Haus schließlich der Nachwelt in seinem ursprünglichen Charakter erhalten. Und das will die Familie auch.

Als sie vor ein paar Jahren auf Haussuche war, sollte es schon etwas Besonderes sein. Kleine Schlösser haben sie sich angesehen und Wassermühlen. Doch wirklich verliebt haben sie sich in die Höseler Villa, auch wenn die auf den ersten Blick etwas unscheinbarer daher kam. "Das Haus hat aber viel Seele, viel Geschichte, ist mit Liebe zum Detail gebaut worden", erklärt Til Kleinstäuber.

Er mag die scharlachroten Fensterläden, die drinnen von einzelnen Farbflächen wieder aufgegriffen werden. Die schmucklosen Wände, an denen dank Fußbodenheizung nicht einmal ein Heizkörper stört. Die Ratinger Innenarchitektin Andrea Gebhard hat ganze Arbeit geleistet, findet Kleinstäuber.

Als er mit Frau und Kindern einzog, war das alte Gemäuer gerade erst von Grund auf saniert worden: Etliche Trennwände kamen dabei raus, die Waschbetonplatten verschwanden vor dem Eingang, das Erdgeschoss wurde gefliest und die Loggia mit einem gläsernen Wintergarten verlängert. Den hat die Behörde übrigens anstandslos genehmigt. Lieber klare Kontraste, als verfälschende Imitationen, war die Devise.

Im ersten und zweiten Stock wurden inzwischen auch Bäder eingebaut - erstmals. Kleinstäuber besitzt noch den ursprünglichen Grundriss des Hauses aus dem Jahr 1912. Da gibt es bloß im Parterre ein handtuchgroßes Bad, darüber nur Schlafzimmer und Dielen. "Wahrscheinlich war es ein Einfamilienhaus für eine Großfamilie", mutmaßt er. Überliefert ist zu den ersten Bewohnern aber nichts.

Wohl aber zum Bauträger, der Düsseldorfer Firma Friedrich Woker & Sohn. Die hatte die "Waldsiedlung Hösel" damals aus einem Guss entwickelt. Til Kleinstäuber sitzt in der geräumigen Küche und breitet auf der Herdinsel Prospekte aus, mit denen Woker damals in schnörkeligen Worten die Vorzüge des Landlebens anpries: "Ein Übermaß an geistigen Eindrücken stürmt auf das Großstadtkind ein und verleidet ein gesundes, gleichmäßiges Ausreifen der geistigen und seelischen Kräfte", heißt es da.

Kleinstäuber schmunzelt, er mag diese Dokumente. Sie geben seinem Haus Charakter. Genauso wie die Stuck-Rosette, die auf der Außenwand hinter dem Haus prangt. Oder die schmalen Fenster, die wie Schießscharten mal senkrecht, mal waagerecht angeordnet sind.

Dafür nimmt er gerne auch die Umstände in Kauf, die es manchmal mit sich bringt, in einem denkmalgeschützten Haus zu wohnen. Der Putz bröckelt von den Terrassenstufen, an den Wänden tun sich Risse auf.

"Man braucht schon öfter mal die Handwerker", sagt er. Und fast genauso oft das Einverständnis der Denkmalschützer. Etwa beim Anstrich für die Garage, und sogar bei der Farbauswahl für die Kellerwände.

Die jüngsten Hausbewohner, Jonas (13) und Emilia (9), beklagen derweil andere Makel: "Die Dielen knarren so laut, dass sie sich nie unbemerkt durchs Haus bewegen können", sagt ihr Vater und lacht.

Und eher liebevoll nennen sie alle ihr Haus einen "Turm" - wegen der vielen gewundenen Holzstufen im Treppenhaus, über die sie täglich steigen. Das Emailleschild jedenfalls will Til Kleinstäuber bald an die Fassade schrauben. Mit Stolz. Er hat nur noch nicht den richtigen Platz gefunden.

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