Wenig Geld für viel Fürsorge

Die stetig steigenden Versicherungsbeiträgebringen viele freiberufliche Hebammen an den Rand ihrer Existenz.

Kreis Mettmann. Sanft tastet Susanne Winkler den Bauch der schwangeren Stefanie Bremkamp ab. Sie lauscht mit einem hölzernen Hörrohr nach den Herztönen des Ungeborenen. Sie lächelt. "Soweit alles in Ordnung."

Susanne Winkler ist freiberufliche Hebamme in Hilden. Sie begleitet Frauen vom ersten Moment der Schwangerschaft an, betreut sie während der Geburt und auch in der Zeit nach der Entbindung.

"Die Vor- und Nachsorge einer Hebamme ist für mich ein großer Vorteil", sagt Stefanie Bremkamp. "Jemand kümmert sich persönlich und intensiv um mich. Im Krankenhaus bin ich nur eine von vielen - dort hat niemand die Zeit, auf meine Bedürfnisse einzugehen."

Doch nicht mehr alle haben die freie Wahl, denn die Zahl freiberuflicher Hebammen nimmt stetig ab. Der Grund: Für viele Hebammen lohnt es sich nicht mehr, ihren Beruf auszuüben. Sie werden zu schlecht bezahlt.

So verdiene eine Hebamme zirka 7,50 Euro netto in der Stunde, sagt Susanne Winkler. Dass freiberufliche Hebammen so wenig Einkommen haben, liege vor allem an den seit Jahren immer weiter steigenden Beiträgen für die Berufs-Haftpflichtversicherung. Derzeit liege der Betrag bei 3.689 Euro im Jahr. Eine weitere Erhöhung soll für Mitte kommenden Jahres im Gespräch sein, sagt die Hebamme.

"Das wird viele Kolleginnen zum Aufgeben zwingen", sagt Susanne Winkler. "Schon jetzt ist es so, dass ich statistisch gesehen 6,5 Geburten im Jahr betreuen muss, nur um die Beiträge für die Versicherung bezahlen zu können. Wenn man bedenkt, dass eine freiberufliche Hebamme im Schnitt zehn Geburten pro Jahr begleitet, bekommt man einen Blick für die Dimension. Wenn mein Mann nicht auch berufstätig wäre, könnten wir uns und unsere beiden Kinder nicht ernähren. Der Hebammenberuf wird immer mehr zu einer Leidenschaft mit Aufwandsentschädigung."

Dabei übernehme eine Hebamme eine enorme Verantwortung. Sie seien Beraterinnen, Helferinnen und Freundinnen für die Mutter. Und im Moment der Geburt träfen sie lebenswichtige Entscheidungen sie und das Kind.

Doch die Krankenkassen hätten immer öfter geklagt, wenn es bei einer Geburt Komplikationen gab, die eine weitere Therapie des Kindes nötig machten. Unter anderem wegen dieses Risikos sei die Berufshaftpflichtversicherung immer weiter angestiegen.

"Es gibt zwar neben den Geburten noch die Wochenbett-Betreuung und Kurse und Seminare für werdende Eltern als Leistungen, die abgerechnet werden können - aber davon kann man auch kaum leben", sagt Susanne Winkler.

Der Deutsche Hebammenverband sei deswegen schon aktiv geworden. Die Androhung von Streiks habe schon Bewegung in die Sache gebracht. Auf Landesebene gebe es Reaktionen aus der Politik - vor allem aus der Opposition kämen positive Rückmeldungen.

Auf Bundesebene habe Gesundheitsminister Rösler zugesagt, eine Untersuchung zur wirtschaftlichen Situation der Hebammen in Auftrag zu geben. Dies soll bis Sommer 2011 geschehen.

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