Umgangsrecht: Auch nach der Trennung bleibt die Angst vor Gewalt

Über ein gemeinsames Kind gibt es immer eine Verbindung zu einem gewalttätigen Ex-Partner.

Kreis Mettmann. Marlon war vier Monate alt, als ihn der Vater kopfüber an den kleinen Füßchen festgehalten und damit gedroht hat, ihn aus dem Fenster zu werfen. "Mein Sohn hat so geschrieen, dass er schon blau angelaufen war", erinnert sich Maria L. (Namen von der Redaktion geändert). Die junge Mutter spricht nicht gern über ihre Erinnerungen, die ihr auch noch Jahre danach Angst machen.

Immer wieder war sie ohnmächtig den Angriffen ihres gewalttätigen Ehemannes ausgesetzt. Er schlug sie, während sie das Baby auf dem Arm hielt. "Ich wollte meinen Sohn schützen, damit er nicht irgendwo runter fällt oder mein Mann ihm etwas antut", sagt die verzweifelte Mutter.

Jetzt, drei Jahre später, sitzt sie im Mettmanner Frauenhaus und erzählt von ihren Erfahrungen. Dorthin war sie damals geflohen, als die Angst vor dem Mann zu groß wurde und die Gewalt zuhause eskalierte.

Nach einigen Monaten hatte sie genug Kraft, um mit ihrem Sohn ein neues Leben anzufangen. Mutter und Kind zogen in eine eigene Wohnung und brauchten viel Zeit und Zuwendung, um das Geschehene hinter sich lassen zu können.

Wäre da nicht der Vater, der immer wieder den Kontakt zu seinem Sohn sucht. Maria L. war anfangs damit einverstanden, das Marlon seinen Vater gelegentlich trifft. Das Gesetz sieht für solche Fälle den begleiteten Umgang vor.

Mutter und Kind gehen zum Jugendamt des Ortes, in dem sie wohnen. Das Kind wird durch die Tür für einige Stunden in die Obhut des Vaters übergeben, ein Mitarbeiter des Jugendamtes bleibt ständig dabei. "Mein Sohn hat immer geweint, wenn er alleine zu seinem Papa sollte. Also bin ich dabeigeblieben", erzählt Maria L.

Für die Mutter war die Nähe zu ihrem gewalttätigen Mann nur schwer zu ertragen. Mittlerweile zeigt der Vater nur noch wenig Interesse an seinem Sohn. Er zahlt keinen Unterhalt und er gibt den Pass des Kindes nicht zurück.

Beide Eltern haben das alleinige Sorgerecht beantragt. Die Eltern wurden gehört, das Gericht hat Erziehungsfähigkeitsgutachten beantragt, das Jugendamt ist der Ansicht, dass Marlon bei seiner Mutter bleiben soll. Seit einem Jahr liegt der Fall auf dem Schreibtisch des zuständigen Gerichts. Die Mutter wartet auf eine Entscheidung, um endlich Ruhe zu bekommen.

Eine ähnliche Geschichte erzählt Julia W. Die alleinerziehende Mutter eines Sohnes möchte allerdings nicht, dass der Sechsjährige seinen gewalttätigen Vater trifft. Verhindern kann sie es dennoch nicht, weil das Gesetz ein Umgangsrecht vorsieht.

Sie hat ihren Mann damals angezeigt und fürchtet sich auch selbst vor Wut und Rache. Vor nicht allzu langer Zeit stand er in der Nähe der neuen Wohnung, nachdem er zuvor mit einem Foto von Frau und Sohn durch die Geschäfte gelaufen war, um den Wohnort der beiden herauszufinden. In Panik rief Julia W. im Frauenhaus an, mit einer Jacke über dem Kopf wurden Mutter und Kind abgeholt. Weil die Wohnung nun nicht mehr sicher war, mussten beide wieder umziehen.

Situationen wie die von Julia W. und Maria L. sind im Frauenhaus längst Alltag geworden. "Durch das Umgangsrecht kann der Schutz der Frau nicht aufrechterhalten werden", weiß Sozialpädagogin Alexandra Herberts. Denn die Treffen finden bei dem Jugendamt des Ortes statt, in dem Mutter und Kinder wohnen.

Schwierig ist auch die Tatsache, dass der so genannte begleitete Umgang nur eine Zwischenlösung ist. Danach müssen sich die Eltern nach Ansicht der Familiengerichte und der Jugendämter selbst einigen. Aber wie soll das gehen in einer Atmosphäre, die von Gewalt, Misstrauen und Angst geprägt ist?

Darauf weiß auch Alexandra Herberts keine Antwort: "Über das Kind gibt es immer eine Verbindung zwischen den Eltern. Die beteiligten Institutionen gehen davon aus, dass man sich auf der Paarebene trennt und die Dinge auf der Elternebene regeln kann. Das schließt sich aber fast immer aus, wenn Frauen und Kinder von Gewalt bedroht sind und Angst haben".

Welche Auswirkungen hat häusliche Gewalt für Kinder?

Kavemann: In der Mehrheit der Fälle sind Kinder bei Gewaltsituationen zwischen ihren Eltern anwesend. Sie sehen und hören die Gewalt und die Beschimpfungen. Sie denken, dass sie der Mutter helfen müssen. Sie fürchten häufig, dass der Vater die Mutter töten wird. Das Miterleben dieser Situation ist für Kinder immer schädigend, vor allem aber, wenn sie noch klein sind.

Verändert sich die Situation durch die Trennung der Eltern?

Kavemann: Wenn Frauen den gewalttätigen Partner verlassen, bedeutet das in vielen Fällen eine Eskalation der Bedrohung und Gewalt. Die Zeit der Trennung ist für eine misshandelte Frau sehr gefährlich. Das Risiko, schwer verletzt oder getötet zu werden, ist besonders hoch.

Wie sehen Sie die derzeitigen Regelungen zum Umgangs- und Sorgerecht?

Kavemann: Um den Kontakt möglichst zu vermeiden, versuchen viele Frauen das alleinige Sorgerecht zu erhalten oder Besuchsregelungen zu verhindern. Bei diesen Entscheidungen macht sich allerdings fatal bemerkbar, dass die Frage des Kindeswohls unabhängig von der Gewalt des Vaters gegen die Kindesmutter diskutiert wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort