Über den Streetworker Jerome Schneider - Viel Helau und wenig Alkohol

Wenn Jugendliche an Karneval mit Wodka, Bier und Killepitsch auf den Straßen unterwegs sind, schaut Jerome Schneider genauer hin. Die WZ hat den Streetworker bei seiner Arbeit begleitet.

Kreis Mettmann. Karnevalssamstag 14 Uhr auf dem Mettmanner Jubiläumsplatz: Närrisches Gedränge, Hexen und Ghostbuster schunkeln am Straßenrand, die rollende Disko bringt „Da schwimmt ‘ne Kölner am Schlossturm vorbei“.

In der zweiten Reihe, ganz unauffällig, geht ein Mann in blauer Winterjacke seine Runden. Er grinst über den „Muppet-Show“-Wagen an der Spitze des Zuges, aber zum Feiern ist er nicht gekommen. Um seinen Hals trägt er an einem Band seinen Ausweis: Jerome Schneider, Streetworker der Caritas Suchthilfe in Mettmann und Wülfrath.

Während Mitarbeiter des Ordnungsamtes und der Polizei Jugendlichen Wodkaflaschen wegnehmen, geht Schneider andere Wege. Der 30-Jährige tritt absichtlich nicht zusammen mit den Ordnungsteams auf: „Wenn ein Jugendlicher trinkt und weiß, dass ich der Streetworker bin, kann man kein Gespräch anfangen“, sagt er. „Nicht über das Wetter. Und die Ansage ,Lass uns mal über Deine Sucht reden’ kann man sich auch sparen. Dann machen die sofort zu“, sagt Schneider.

Aufsuchende Sozialarbeit, das ist an Karneval ein Beobachten, eine Spurensuche. Auf einen Kastanienbaum auf dem Jubiläumsplatz weist Schneider hin: „Da trinken sonst die älteren Klienten. Manchmal wird da auch gehandelt — die Polizei weiß das.“ Wenn viel Publikum auf dem Platz ist, verziehen sich aber die Stammgäste: „Die merken, wenn sie angeguckt werden. Die wollen nicht als ,die Alkis’ dastehen. Das hat etwas mit Stolz zu tun“, sagt Schneider.

Durch die Gassen der Oberstadt führt Schneiders Runde. Ein kurzes Gespräch mit einer Streife vom Ordnungsamt: wenig los bis jetzt. Am Wegesrand immer wieder Mettmanner, die den Sozialarbeiter begrüßen — per Handschlag die Älteren, mit einem „Hallo“ die Jugendlichen. „Die kenne ich aus den Jugendhäusern oder von der Wohnungslosenhilfe“, sagt Schneider. Jugendliche kommen außerdem auf richterliche Anordnung zu ihm, wenn sie zur Suchtberatung geschickt werden.

Schneider ist gelernter Erzieher, hat angewandte Sozialwissenschaften studiert. In seiner Freizeit legt er als DJ in großen Clubs Musik auf. „Die Arbeit ist eine Gradwanderung“, sagt Schneider. Eine Belastung für das Gewissen sei es, wenn er mitbekommt, wie Kindern Drogen verkauft werden: „Aber wenn ich das auffliegen lasse, kann ich als Streetworker gleich meine Kündigung einreichen. Dann erzählt mir nie wieder jemand was.“ Er müsse einen Zugang zu seinen Klienten finden, Beziehungen aufbauen. Für ihn gelte Schweigepflicht.

Rund anderthalb Jahre habe es gedauert, bis die Szene Vertrauen zu ihm gefasst habe, sagt Schneider. Die Vorbehalte einiger am Anfang: Als 30-Jähriger sei er zu jung, die Probleme zu kennen, ohnehin fehle ihm Erfahrung, weil er nicht selbst Drogen konsumiert hat. Doch inzwischen wird seine Arbeit geschätzt. Er habe seinen Klienten Therapieplätze vermitteln können, andere Hilfen organisiert — das spreche sich herum.

An der Neanderstraße führt Schneiders Runde auf das obere Deck des Parkhauses. Einen guten Blick hat er auf den gerade leeren Laval-Platz: „Da wird auch gedealt. Der ist klein und hat viele Ausgänge“, sagt der Streetworker. Auf dem Parkhaus haben sich diesmal keine Jugendlichen versammelt. Nur ein paar Bierflaschen zeigen an, dass dies ein Treffpunkt ist. Auf dem Absatz im Treppenhaus liegt eine Flasche Korn: Die Treffs würden immer wieder wechseln, unter freiem Himmel würden sich die Gruppen vor allem im Sommer treffen, sagt Schneider: „Dann bin ich oft bis spät in den Abend unterwegs.“

„Heute ist es ruhig“, fasst Schneider den Karnevalsnachmittag in Mettmann zusammen. Aber dies sei nicht immer so. Wie viel letztlich zu tun ist, sei schlecht vorhersehbar. Aber jeder Einsatz sei wichtig, sagt der 30-jährige Streetworker und fügt hinzu: „Drogen und Alkohol gehören zum Älterwerden. Die Jugendlichen testen sich aus. Wir bemühen uns, dass sie die Grenzen nicht immer weiter überschreiten.“

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