Die Pipeline-Gegner jubeln

Kohlenmonoxid-Leitung: Bürger kämpften erfolgreich gegen große Politik und den Bayer-Konzern.

Kreis Mettmann. Für die vielen Gegner der Kohlenmonoxid-Pipeline im Kreis Mettmann war bereits gestern Bescherung. Der Weihnachtsmann trug eine schwarze Robe und ist Richter am Oberverwaltungsgericht Münster. Sein Geschenk könnte das endgültige Aus für die CO-Leitung bedeuten. "Das Urteil ist eine Ohrfeige für Bezirks- und Landesregierung", jubelte Ratingens Bürgermeister Harald Birkenkamp, "und auch für die erste Instanz."

Andere sind da etwas vorsichtiger. Sie trauen der frohen Botschaft nicht recht. Ihnen sind die Urteile der Gerichte in jüngster Vergangenheit zu gut in Erinnerung. Da hatten die Pipeline-Gegner eine Niederlage nach der anderen einstecken müssen. Dieter Donner, Sprecher der Bürgerinitiativen gegen die Bayer-Pipeline, kündigte deshalb schon gestern an: "Wir werden weiter gegen eine Pipeline kämpfen - selbst wenn sie jetzt auf der anderen Rheinseite verlegt werden sollte."

Zunächst fast unbemerkt hatte der Landtag einstimmig im März 2006 den Bürgern die Giftleitung direkt vor ihrer Haustüre eingebrockt. Damit sollten die Chemiestandorte Dormagen und Uerdingen gesichert werden, sie diene dem Allgemeinwohl, hieß es. Als dann wenig später der Bayer-Konzern an die Türen klopfte und Grundstücksbesitzern eröffnete, dass nun bald der Bagger käme - ob sie wollten oder nicht - formierte sich der Widerstand. Dabei schlugen sich die örtlichen Bürgermeister, auch die der im Land regierenden CDU, recht bald auf die Seite der Bürger. Städte, Bürgermeister, Politiker und Bürger fühlten sich von der großen Politik übergangen und vom Chemie-Giganten schlecht informiert.

Der Mettmanner Landrat Thomas Hendele (CDU) schockte mit einem fünfseitigen Gutachten, nach dem mehr als 140000Menschen der Tod droht, wenn die Leitung auf ihrer gesamten Länge platzen sollte. Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD), der Bau und Betrieb genehmigen muss, schimpfte über solche "Horrorszenarien" und verwies auf Sicherheitsstandards, die seine Behörde der Bayer AG abgetrotzt hätte und die in Europa ohnegleichen seien. "Die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Schadens liegt bei einem in einer Million Jahre", beteuerte Büssow. Doch die Angst vieler Pipeline-Anwohner konnte er damit jedoch nicht vertreiben.

Projekt Die Bayer Material Science und die Bayer Industry Services bauen die 67 Kilometer lange Versorgungsleitung für den Transport von gasförmigem Kohlenmonoxid (CO) zwischen den Werken Dormagen und Uerdingen. Die European Pipeline Development Company wollte parallel eine Propylen-Leitung verlegen, sagte die Pläne aber aus wirtschaftlichen Gründen ab. Auf einer Teilstrecke verlegt die Firma Wingas zusätzlich eine Erdgasleitung.

Chemie Kohlenmonoxid (CO) ist ein gefährliches Atemgift. Es riecht nicht, schmeckt nicht und ist farblos. Kohlenmonoxid ist einer der wichtigsten Grundbausteine für die Produktion von Kunststoffen, die in der Automobil-, Bau- und Freizeitindustrie eingesetzt werden.

Beschluss Per Gesetz hat der Landtag den Bau der Pipeline beschlossen, die den Chemie- und Kunststoffstandort sichern soll.

Rohre Ein mehrschichtiges System soll die CO-Pipeline sicher machen: 25 Zentimeter dicke Stahlrohre sind für 100 bar Druck ausgelegt, werden aber mit 13,5 bar betrieben. Sie liegen 1,40 Meter tief im Boden. Darüber eingelassen: eine reißfeste Textilschicht mit Warnaufdrucken.

Sicherheit Ein Membranschlauch grenzt an die Rohre und meldet selbst winzigste Lecks der Zentrale.

Widerstand In mehreren Städten des Kreises Mettmann ist der Bau äußerst umstritten. Bei einem Leck seien angeblich mehr als 140 000 Menschenleben gefährdet.

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