Schuldnerberater: "Günstige Zinsen kriegen nur die Kunden, die frisch sind"

Kreis Mettmann. Die WZ sprach mit Schuldnerberater Heinrich Beyll (57) über Verführer, Überschuldung und Wege daraus.

Ist Geiz geil?

Heinrich Beyll: Geiz ist nicht geil. Einer muss es ja bezahlen.

Aber es scheint doch sinnvoll, wenn die Werbung Ratenkauf ohne Zinsen anbietet?

Beyll: Der Kaufmann will seine Ware doch finanzieren. Wenn er eine Null-Prozent-Finanzierung anbietet, hat er entweder vorher was auf den Preis draufgeschlagen, oder er bietet keinen Nachlass an.

Gibt es Branchen, die Kunden mit solchen Angeboten verstärkt in Versuchung führen?

Beyll: Vor allem die Elektronikindustrie, weil deren Produkte der kurzfristigen Bedürfnisbefriedigung dienen.

Und solche Kaufabschlüsse treiben Leute in die Schulden?

Beyll: Ein Kleinkredit über 500 Euro, für den ich monatlich 15 Euro Rate zahle, ist nicht das Problem. Schwierig wird es, wenn es fünf oder sechs solcher Kredite sind.

Es auch der Internethandel ein Schuldentreiber?

Beyll: Da geht es vorwiegend darum, dass sich Leute bei Portalen — wie Flirtbörsen — anmelden, weil die vermeintlich kostenlos sind. Und dann kommt die Rechnung.

Aktuell sind die Zinssätze extrem niedrig. Lässt das Verbraucher leichtsinnig werden?

Beyll: Günstige Zinsen kriegen nur die Kunden, die frisch sind.

Das müssen Sie erklären.

Beyll: Jeder hat sein persönliches Ranking bei der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, Anm. d. Red.). Darauf haben nur die Vertragspartner Zugriff.

Und das hat Auswirkungen auf die Höhe der Zinsen, die ich zahlen muss?

Beyll: Ja, wenn Sie als Kandidat mit erhöhtem Risiko gelten. Dazu gehört zum Beispiel, wer Raten nicht zurückgezahlt hat.

Das entscheidet der Händler?

Beyll: Die Kredite wickelt die Hausbank ab. Die trägt das Risiko.

Warum hat der Händler dann Interesse daran, dass ich einen Kredit aufnehme?

Beyll: Weil er seinen Umsatz steigern möchte.

Sind Leute gerade vor Weihnachten vermehrt bereit, auf Pump zu kaufen?

Beyll: Niemand möchte als Geizhals dastehen, wenn er etwas schenkt. Da geht es um soziales Ansehen.

Was ist Überschuldung?

Bell: Wenn die Ausgaben höher als die Einnahmen sind.

Und dann komme ich zu Ihnen?

Beyll: Wir haben mittlerweile bis zum Erstgespräch eine Wartezeit von fünf Monaten. Vor drei Jahren gab es noch keine Wartezeiten. Das sagt einiges über den Anstieg der Schuldnerzahlen.

Wie viele Leute kommen im Jahr zu Ihnen?

Beyll: Hier, in Haan, waren es 90.

In einer Stadt mit der höchsten Kaufkraft im Kreis Mettmann? Sind das vorwiegend Rentner und Hartz IV-Empfänger?

Beyll: 40 Prozent meiner Kunden stehen in Lohn und Brot. Das sind nicht nur Geringverdiener.

Für die ist das private Insolvenzverfahren ein Allheilmittel?

Beyll: Das private Insolvenzverfahren ist ein Rettungsanker.

Grob skizziert — wie funktioniert es?

Beyll: Der Schuldner muss sechs Jahre lang über das hinaus, was ihm nach einer Pfändungstabelle bleibt, alles abgeben.

Und dann ist er schuldenfrei?

Beyll: Ja, mit Ausnahme neuer Schulden, die während dieser sechs Jahre entstehen. Und für ein weiteres Insolvenzverfahren gilt eine Sperre von zehn Jahren.

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