Naht um Naht für des Michels neue Kleidungsstücke

Regina Strunden aus Ratingen entwirft und produziert die Kostüme für die Schauspieler im Stück „Michel aus Lönneberga“, das derzeit am Blauen See aufgeführt wird.

Ratingen. Vater Anton ist schwer gezeichnet: Schon nach wenigen Aufführungen des „Michel aus Lönneberga“ auf der Freiluftbühne am Blauen See in Ratingen liegt er regungslos auf dem Boden im Atelier von Regina Strunden — die Kleidung zerfetzt, Brandwunden an den Beinen.

Anton ist in diesem Fall zum Glück nur ein Dummy, jener Dummy, der in einer Szene im hohen Bogen aus dem explodierenden Klohäuschen fliegt. Jetzt wartet Anton darauf, dass Strunden die Löcher der Hose flickt und seine Wunden heilt.

Strunden ist bei „Michel“ für alles zuständig, was mit Kostümen zu tun hat. „Der Dummy muss erst einmal mit Anti-Flammspray behandelt werden. Daran hat vorher niemand gedacht.“ Und so haben die Mini-Explosionen Löcher ins Kostüm gebrannt.

„Ich wollte schon immer Kostüme für ein Theaterstück machen. Da kann alles ein bisschen ausgefallener und wilder sein“, bekennt Strunden (41). Sie ist nicht nur gelernte Schneiderin, sondern auch ausgebildete Modedesignerin und hat für große Labels wie Bogner, Escada, Laurèl und andere gearbeitet.

Zu ihrem Job bei Theaterconcept, der Truppe, die seit Jahren die Freiluftbühne am Blauen See bespielt, kam sie zufällig: „Ich habe im vergangenen Jahr mit meinem Sohn Petterson & Findus gesehen und die Kostüme bewundert.“

Nach der Aufführung sprach sie einen Schauspieler an, der den Kontakt zu Regisseur Ralph Reiniger herstellte. Die Chemie zwischen den beiden stimmte, ein erster Auftrag für die Winterspielzeit folgte.

In die Michel-Produktion war Strunden von Anfang an eingebunden. Sie ließ sich zwar von alten Filmen inspirieren, eine Herausforderung war es dennoch: „Die Erwachsenen müssen ja wie Kinder aussehen“, sagt sie.

Eine 24-Jährige als Lausbub, ein großer, kräftiger Mann als tüttelige Frau Petrell mit Taft und Stöckelschuhen, eine gestandene Frau als verhuschte Klein-Ida mit Hängerkleidchen und Rüschen — Kleider machen eben doch Leute.

Kostüme für eine Freiluftinszenierung sind aber viel mehr als nur Verkleidung: „Die müssen vor allem sehr robust sein. Dafür steppe ich die Nähte dreifach.“ Sie müssen — in Anbetracht der vielen Stürze in den Teich — auch schnell trocknen.

Strunden: „Das muss ich bei der Materialauswahl berücksichtigen. So besteht Frau Petrells Kleid fast nur aus Taft und Chiffon. Das trocknet bei Sonnenschein in zehn Minuten.“ Bei Schmuddelwetter ist der Fummel nach einer halben Stunde noch klamm — aber da müssten die Schauspieler eben durch.

Viel schlimmer seien die Matschproben nach Dauerregen. Da nimmt Regina Strunden die kompletten Kostüme auch schon mal zum Waschen und Reinigen mit nach Hause.

Kostüme und Kleider faszinieren Strunden schon lange. „Mit 18 habe ich mir für die Disco die Sachen selbst gemacht.“ Dennoch waren ihre Eltern nicht begeistert, als sie eine Schneiderlehre anfing — eine der am schlechtesten bezahlten Ausbildungen.

Mit dem Abschluss als Jahresbeste in der Tasche bewarb sie sich bei Bogner in München, wurde dort Musterschneiderin und fertigte Prototypen. Sie schaffte die Aufnahmeprüfung für die Modedesignschule, gewann internationale Wettbewerbe, ging zu den Edelmarken Laurèl und Escada.

Nach ihrem Umzug nach Düsseldorf arbeitete sie für eine große Modekette, inzwischen ist Strunden freiberuflich tätig. In dem Atelier unterm Dach hängen mehrere selbst entworfene Dirndl. Neben zwei Nähmaschinen stehen drei Monitore. „Ich bin hier viel freier und kann designen, was ich möchte — auch Butterbrotdosen.“ Oder eben Kostüme für Michel.

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