Kroymann beschert Wechselbad der Gefühle

Auftaktkonzert der Sängerin und Schauspielerin beim Festival der Stimmen im Stadttheater.

Kroymann beschert Wechselbad der Gefühle
Foto: Achim Blazy

Ratingen. Am Ende des Abends taucht man etwas ermattet aus dem Wechselbad der Gefühle auf: Das war also Maren Kroymann, Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin. Zusammen mit ihrer hervorragenden Band gab sie das Auftaktkonzert bei „Voices“, beim achten Festival der Stimmen im Stadttheater. Die Künstlerin liefert kein seichtes Programm zum Mitsummen ab. Immer wieder werden politische Beiträge eingearbeitet, bei denen es um die Rolle der Frauen in den 60er-Jahren und auch danach geht, um sexuelle Befreiung, um das Annähern an Dinge, die man noch nicht erlebt hat, aber irgendwann doch einmal ausprobieren will.

Kroymann, stimmlich nicht immer ganz auf der Höhe, nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise, die zielsicher zu einer Hauptperson des Abends führt: Dusty Springfield. „Sie war die ältere Schwester, die ich nie hatte“, betont die Künstlerin, die ihr Programm bewusst „In my Sixties“ genannt hat. Springfield, die legendäre Pop- und Soulsängerin, hat zeitlose Songs interpretiert, die von Liebe, Schmerz und Trennung erzählen, aber doch eine lässige Leichtigkeit verströmen. Kroymann lässt dieses Gefühl aufleben. Man spürt, dass sie Springfield verehrt. Die Zeitreise führt die Zuhörer auch in die USA. Dort verbrachte die blutjunge Maren intensive Monate, die prägend waren. Später in Berlin geht es einmal mehr um das Thema Sex: Eine gute Freundin, Regie-Assistentin, hat einen Regisseur kennengelernt. Der Mann, verheiratet, zwei Kinder, überzeuge mit seiner „sinnlichen Präsenz“, erzählt die Freundin, die von Kroymann schauspielerisch wunderbar dargestellt wird.

Manche Themen klingen so absurd, dass man sie kaum greifen kann — wie „Lesben und Kurzsichtigkeit“ zum Beispiel. Doch Kroymann („Ich hatte schon mit sieben Jahren eine Brille“) gelingt es, die Zuhörer mitzunehmen: Beißende Ironie ist ein scharfes Schwert.

Dass in den 60er-Jahren und auch später Vergewaltigungswitze ganz munter erzählt wurden, macht so manchen Gast im Stadttheater fassungslos. Kroymann bringt eine derbe Geschichte, in der eine Nonne eine Rolle spielt. Klar: Dieses Stück muss im Auditorium erst einmal verarbeitet werden. Die 67-Jährige kann also nicht nur nett sein. Sie fordert sich und ihr Publikum.

Nach zweieinhalb Stunden plus Zugaben ist Schluss. Herausgekommen ist ein intensiver Abend, bei dem es angesichts der sehr unterschiedlich gesetzten Stücke und Wortbeiträge keine Chance gibt, mal eben wegzunicken.

Hervorgehoben sei Ralf Lehmann, der in seinem Anzug die Botschaft verkörpert, dass er ganz harmlos und bieder ist. Als er aber seine Gitarre mit den Zähnen bearbeitet und das Instrument auf dem Rücken fulminant beackert, kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr: Dieser Lehmann flippt komplett aus.

So wie das Publikum: Es gibt am Ende des Abends Ovationen.

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