Große Show für kleine Bäume

Bonsai-Liebhaber aus 19 Länder trafen sich am Wochenende zur European Bonsai Convention in Ratingen.

Ratingen. Im scharfen Knick legt Klaus Degen den Oberkörper nach links und drückt auf den Auslöser. Pinus mugo ist im Kasten, aber ob das Foto hält, was die Bergkiefer verspricht? Rund 200 Jahre ist sie alt und seit 1996 in den Händen von Manfred Roth, der den Baum in eine Richtung gezogen hat, so als habe der Wind die Pflanze geformt.

Boinsairianer aus 19 Ländern versammelten sich am verlängerten Wochenende im House of Sports am Breitscheider Kreuz, um Schönheiten wie jene Kiefer auszustellen. Gartenliebhaber entdeckten da so manches Pflänzchen, das ihnen vertraut vorkommen musste.

Acer palmatum etwa ist jener Baum, dessen Laub sich im Herbst leuchtendrot verfärbt. Auch Chameocyparis pisifera zählt — wenn auch nicht unter dem Namen bekannt — zu den geläufigen Anblicken in den Rabatten. Dort ist die immergrüne Scheinzypresse häufig von braunem Laub umgeben, das sie gerne mal abwirft, wenn der Gärtner das Gießen vergessen hat. Solche Schnitzer leisten sich gestandene Bonsai-Freunde nicht. Die Scheinzypresse des Sloweniers Rajko Podgornik schaut vielmehr kraftstrotzend aus ihrem Topf. Was sie von ihren Vettern im Vorgarten unterscheidet, ist der Wuchs an einem scheinbar uralten Stamm.

Herbert Obermayer rechnet sie zu den Musterbeispielen für ein aufrechtes Bäumchen und gerät schnell ins Schwärmen, während er nebenan die Halbkaskade und die Kaskade als weitere Wuchsformen beschreibt. Es handele sich beim Bonsai nicht um eine Miniaturisierung, klärt das Vorstandsmitglied des Bonsai-Clubs Deutschland auf. Dann nämlich müssten ja die Äste dünn wie Stecknadeln sein.

Und es gibt so manche Ähnlichkeit zwischen dem gemeinen Bonsai und seinem menschlichen Pfleger — sagt zumindest Obermayer: „Wenn es an der Tür klingelt und da steht schon wieder ein Staubsaugervertreter, weichen Sie zurück. Wenn es aber die Nachbarin ist, zu der Sie immer schon mal Kontakt gesucht haben, beugen Sie sich gerne nach vorn.“ So viel Manneskraft kann also in einem Baum stecken.

Wer mit Liebe arbeitet, sucht sich den Yamadori. Das ist Material, das — selbstverständlich mit Erlaubnis — in der Natur gesammelt wurde und dort bereits durch ein schönes Charakteristikum auffiel. „Dort könnte man einen Blitzeinschlag vermuten, hier hat vielleicht Schnellast die Richtung gegeben“, stellt Obermayer seine Vermutungen über jene Bergkiefer an, die Klaus Degen ein Foto wert war. Man arbeite gerne mit Totholz, weil das Dramatik verleihe.

Angeblich könnten spezielle Bonsai-Samen im Handel gekauft werden, aber so etwas gebe es nicht. Geeignet seien grundsätzlich alle Bäume. Nur bei großblättrigen Arten müsse man auf Misserfolge gefasst sein.

Ein Irrtum sei auch, den Bonsai als eine Zimmerpflanze zu betrachten. „Sie gehören nach draußen, sonst gehen sie ein.“ Die Ausnahme würden nur Exoten bilden, die man im Winter wegen Frostgefahr in die Stube holen müsse. „Wenn die Bäume nicht gut gepflegt werden, stellen sie ihre Zusammenarbeit ein.“ Anders gesagt: Sie werfen für immer ihr Laub ab. Das scheint auch der Acer buergerianum nebenan getan zu haben. Aber der Schein trügt. „Bei Ausstellungen im Herbst schneidet man oft das Laub ab, damit die Verzweigungen besser sichtbar werden. Da staunt der Laie: Ein gerupftes Huhn ist nichts dagegen.

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