Polizist Ulrich Specht: „Der Fall Kassandra ging mir am meisten unter die Haut“

35 Jahre lang hat Polizist Ulrich Specht im Kreis Mettmann Dienst gehabt. Jetzt geht er in Ruhestand — und blickt zurück.

Kreis Mettmann. Mord und Totschlag, Raub und Überfälle, Drogen, Einbrüche, Schlägereien — es gibt nichts, was Ulrich Specht nicht erlebt hat. Mehr als 38 Jahre lang war er im Kreis Mettmann im Einsatz, am Mittwoch wurde der „Vollblutpolizist“, wie ihn sein Chef, Landrat Thomas Hendele, bezeichnet hat, in den Ruhestand verabschiedet. Es war ein Polizistenleben, wie es das heute nur noch selten gibt.

Eigentlich wollte er Lehrer werden, ließ Specht (62) die vielen Kollegen und alten Weggefährten, die zu seiner Verabschiedung gekommen waren, wissen. Da er aber mit antiautoritärer Erziehung nicht viel anfangen konnte („entweder wäre ich in der Klapse oder im Knast gelandet“), schmiss er das Studium.

Ein Kumpel überredete ihn, zur Polizei zu gehen, was Specht auch viel aufregender fand. Nach der Ausbildung in Dortmund wurde der frischgebackene Kriminaler nach Hilden geschickt — von der Westfalenmetropole ins Provinznest.

Sein erster Einsatz war auf einem Wülfrather Bauernhof. Die knappe Wegbeschreibung der Kollegen: „Am Jauchefass rechts abbiegen.“ Am nächsten Tag hat Specht sein Versetzungsgesuch verfasst. . .

Aber er blieb in Hilden, war zuständig für Raub und Diebstahl. „Bald nannte man meinen Kollegen und mich Starsky & Hutch — nach der Fernsehserie. Wir waren richtig gut.“ Wie gut, zeigte sich bei einer Geiselnahme im benachbarten Solingen-Ohligs.

Ein Sondereinsatzkommando gab es damals noch nicht, also nahmen Specht und seine Kollegen die Sache selbst in die Hand: Eine Motorradstreife schnitt dem Fluchtauto der Geiselnehmer, die eine Frau und deren kleines Kind in ihrer Gewalt hatten, den Weg ab. Specht riss mit gezogener Pistole die Beifahrertür auf — und sah einen bewaffneten Geiselnehmer, der auf das Kind zielte.

Dann ging alles ganz schnell. Beide duckten sich weg, ein Kollege zerrte durch die andere Tür das Kind ins Freie, Specht warf sich während der beginnenden Schießerei schützend darüber. Ein Geiselnehmer war am Ende tot, der andere verletzt. In dem allgemeinen Chaos danach regelte Specht dann den Verkehr — zum Erstaunen der Autofahrer immer noch mit der Waffe in der Hand.

Als Specht später in der Abteilung für Rauschgift- und Jugendkriminalität saß, war er einem Drogendealer auf der Spur, der 25 Kilo Heroin für eine Million D-Mark verkaufen wollte. Um dessen Vertrauen zu gewinnen, sollten die getarnten Ermittler von dem Dealer für 32 000 Mark eine Rolex-Uhr kaufen. Tatsächlicher Wert: 100 000 Mark.

Sie kauften die Uhr, der Drogendeal endete später mit klickenden Handschellen. Doch was tun mit der Rolex? Specht schlug vor, die Uhr an eine Dortmunder Rotlicht-Größe zu verkaufen — für 60 000 Mark. Einem Vorgesetzten war dieses Geschäft aber denn doch zu haarig.

Neben vielen positiven Erlebnissen gab es auch rabenschwarze Tage in Spechts Polizistenleben. „Als unser Kollege Adalbert Bach bei einem Überfall 1993 in Wülfrath erschossen wurde“, erinnert er sich an die schlimmsten Momente. „Und natürlich der Fall Kassandra — der ging am meisten unter die Haut.“

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