Ohne Zivildienst wird es eng

Ab Juli stehen Verbänden die Helfer wegen des geänderten Gesetzes nicht mehr zur Verfügung.

Kreis Mettmann. Die Aussetzung der Wehrpflicht ab Juli dieses Jahres ist beschlossene Sache: Am Montag haben die vorerst letzten Wehrpflichtigen den auf sechs Monate verkürzten Grundwehrdienst angetreten. Das bedeutet auch, dass kein Ersatzdienst absolviert werden muss. In Einrichtungen wie Seniorenheimen oder Kindertagesstätten werden die Zivis fehlen.

Im Kreis Mettmann gibt es 227 Einrichtungen mit 777 Zivildienststellen. Im Dezember waren davon 443 besetzt. Noch ist unklar, für wie viele Stellen zukünftig junge Leute gefunden werden. „Männer werden noch bis zum 30. Juni eingezogen“, sagt Antje Mäder vom Bundesamt für den Zivildienst. Allerdings seien Härtefälle, beispielsweise, wenn ein junger Mann einen festen Arbeitsvertrag hat, möglich: „Sollte jemand seinen Einberufungsbescheid haben, den Dienst aber nicht antreten können, wird jeder Einzelfall geprüft“, sagt Mäder.

Schon jetzt sind nicht alle Zivilstellen im Altenheim Haus Bavier in Erkrath besetzt. „Wir haben vier Zivis, aber hätten Platz für elf“, sagt Verwaltungsleiterin Gerlinde Mervelskemper. Ab 30. Juni steht das Heim ohne Helfer da. Die Konsequenz: „Die anderen Mitarbeiter müssen die Aufgaben der Zivildienstleistenden übernehmen — etwa die Senioren zum Arzt begleiten.“

„Wir haben ab Februar keinen Zivi mehr“, sagt Gabriele Meiser, die das Wildgehege Neandertal betreut. „Mein Mann und ich teilen uns die Stelle, ohne Zivi können viele Aufgaben nicht bewältigt werden.“ Normalerweise wird ein bei der Kreisverwaltung angestellter Zivildienstleistender im Wildgehege eingesetzt.

Daniela Hitzemann, Sprecherin der Kreisverwaltung, betont, der Kreis sei bereits damit beschäftigt, Freiwillige anzuwerben. „Bei uns ist aber schon jetzt die Hälfte der 39 Stellen im Kreis mit Freiwilligen besetzt“, sagt sie.

Tatsächlich soll ab Juli ein Bundesfreiwilligendienst eingeführt werden, um den Wegfall des Zivildienstes zu kompensieren. „Wir bereiten uns jetzt schon verwaltungstechnisch auf den Bundesfreiwilligendienst vor“, sagt Oliver Baiocco, NRW-Pressesprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Es soll bundesweit Plätze für 35.000 Freiwillige geben. Das sind zwei Drittel Helfer weniger als 2009 Zivildienst leisteten. Für die Einrichtungen im Kreis Mettmann, die Zivis einsetzen, ist die Konsequenz, dass sie kräftig die Werbetrommel rühren müssen. „Für den Zivildienst musste man nicht werben“, sagt Baiocco.

„Der Freiwilligendienst kommt unserer Philosophie eher entgegen als der staatliche Zwangsdienst“, sagt Stefan Vieth vom DRK in Mettmann. Allerdings fürchtet er, dass sich keine ausreichende Anzahl junger Menschen meldet. Der Behindertenfahrdienst oder die Pflege in Altenheimen werden von Zivis gestemmt. Vieht: „Wenn sich keine Freiwilligen finden, kann es sein, dass Angebote wegfallen.“

Weniger dramatisch sieht Sabine Kall, Pressesprecherin der Bergischen Diakonie Aprath, die Aussetzung der Wehrpflicht. „Bei 1.500 Mitarbeitern haben wir 85 Zivi-Stellen“, sagt sie. Da breche das System nicht zusammen.

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