Obdachlosigkeit im Kreis Mettmann: Stärkung für das harte Leben

Die Strukturen der Wohnungslosenhilfe werden immer besser – doch die Probleme wachsen mit.

Kreis Mettmann. Aufschnitt oder Leberwurst? "Ich ess’ alles", sagt Felix Hügel und greift sich eine Brötchenhälfte. Es ist Frühstückszeit im Kaffee-Treff der Ratinger Wohnungslosenhilfe. Und wer hierher kommt, ist nicht besonders wählerisch. "Ich würde ja gerne arbeiten", sagt er und beißt energisch ab, "aber es ist fast unmöglich, hier etwas zu finden." Dabei hat er zwei Gesellenbriefe in der Tasche, einen Führerschein und ist, wie er gerne sagt, "topfit".

Aber er ist 59 - und hat keine eigene Wohnung mehr. Seit vier Monaten schon geht er Klinken putzen, bei Vermietern und möglichen Arbeitgebern. "Das zehrt an den Nerven." Der Bekannte, bei dem er für ein paar Wochen Unterschlupf gefunden hat, brachte ihn auch auf die Idee, zum Sozialdienst katholischer Frauen zu gehen.

In der kleinen Stube mit den hellen Holzmöbeln fühlt er sich wohl und verstanden. Es gibt keine Fragen, keine schiefen Blicke. Jeder hier weiß, dass der Absturz blitzschnell kommen kann. SkF-Vorsitzende Edith Bohnen kennt viele dieser Schicksale. "Es ist oft das Gleiche: Scheidung, Schulden - und wer dann nicht gerade Generaldirektor ist, rutscht da schnell rein."

Einmal abgerutscht, wird alles plötzlich kompliziert: Ohne geregeltes Einkommen verweigern viele Vermieter ihre Wohnungen. Ohne festen Wohnsitz fällt die Arbeitssuche schwer. Wenn dann noch Alkohol, Drogen oder psychische Erkrankungen dazu kommen, ist der Teufelskreis perfekt.

Einen Trend, den die Sozialarbeiter mit Sorge sehen, ist, dass die Hilfesuchenden immer jünger werden. "Das liegt daran, dass die Familienstrukturen kaputt gehen", meint Edith Bohnen. Hans Pöss, der sich seit 20 Jahren beim SkF um Wohnungslose kümmert, steht deshalb vor neuen Herausforderungen:

"Bei manchen hat gar keine Sozialisation stattgefunden. Die kommen mit 19 hierher, haben nichts und auch keinen Kontakt zur Familie. Die reifen hier erstmal nach."

Früher arbeiteten sie in Ratingen zu zweit, heute sind es allein fünf Hauptamtliche, die vom Kreis und vom Landschaftsverband finanziert werden. "Und da ist keine Stelle überflüssig", ist sich Edith Bohnen sicher. Dass sich die Mühe und der Aufwand aber lohnen, sei auch am Stadtbild zu sehen, meint sie.

Offenes Elend, wie es in Düsseldorf allgegenwärtig ist, kommt im Kreis Mettmann kaum vor - weil das Netz der Hilfsangebote mittlerweile recht dicht ist. Bohnen: "Niemand muss hier mehr auf der Straße schlafen."

Wenn nötig, öffnet der SkF den Container neben dem Buga-Haus am Stadionring. Darin stehen immer vier frisch gemachte Betten. Doch mit der reinen Unterkunft und dem Frühstück geht die Hilfe erst los. Mit Beratung bei Bürokratie oder Entschuldung geht sie weiter, führt über betreutes Wohnen bis hin zur Vermittlung von Wohnraum, in dem die Klienten das selbstständige Leben trainieren können.

Kleiderkammer, Möbelaufbereitung oder Fahrradwerkstatt - derlei Angebote helfen kreisweit, die ersten Schritte in den Arbeitsmarkt zu gehen. "Wir müssen die Leute wieder an feste Strukturen gewöhnen", erklärt Hans Pöss den Ansatz. Mit diesem Ziel verwalten die Beratungsstellen auch das Geld ihrer Klienten - falls die das wünschen. Wer will, ist unter der Adresse der Wohnungslosenhilfe auch postalisch erreichbar.

"Wenn die sehen, dass man sich bemüht, kriegt man jede Hilfe, die man braucht", lobt Dirk Dalli. Der 30-Jährige muss es wissen, er hat alle Stationen beim SkF durchlaufen und sich allmählich voran gekämpft. Zwei Jahre Obdachlosenheim, vier Jahre betreutes Wohnen, Werkstätten, Beratung - inzwischen lebt er wieder selbstständig.

Den Frühstückstreff will er trotzdem nicht missen. "Ich komme aber nur auf einen Kaffee vorbei", sagt er und grinst breit, "und um ein paar Sprüche abzulassen."

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