Neandertaler Funkamateure: Seit 50 Jahren auf Draht

Ob in die USA, nach Russland oder Honolulu — die Funkamateure des Ortsverbands Neandertal haben Kontakt in die ganze Welt.

Kreis Mettmann. Um 19.15 Uhr am 15. Oktober 1984 ereilt Rolf Kühn der Notruf über Funk. Enad Dijanivic, sein Rufzeichen YZ 2 AYZ, sitzt an seinem Gerät im mehr als tausend Kilometer entfernten Zagreb und ruft um Hilfe bei DL 1 EAG — alias Kühn. Sein Onkel liege im Krankenhaus und benötige dringend ein Medikament, ansonsten müsse er sterben.

Rolf Kühn handelt sofort, ruft beim Evangelischen Krankenhaus in Mettmann an, redet zwei Stunden auf einen Arzt ein, ihm ein Rezept für das Medikament auszustellen. Stunden später hält Kühn es in seinen Händen, fährt damit noch in der Nacht zum Düsseldorfer Flughafen und überredet dort die Crew einer Swiss-Air-Maschine, das Medikament nach Zagreb zu fliegen. Mit Erfolg: Wenige Tage später beginnt die Behandlung — der Mann überlebt.

Es ist nur eine von vielen Geschichten, die der 71-jährige Funkamateur berichten kann. Aber auch die anderen Mitglieder des Ortsverbands Neandertal haben ihre Erinnerungen, die sie am Samstag bei der Jubiläumsfeier Revue passieren lassen werden. Denn die Funker nehmen seit mittlerweile fünf Jahrzehnten vom Kreis Mettmann aus Kontakt in die ganze Welt auf — egal, ob in die USA, nach Russland, Neuseeland oder Honolulu.

„Und genau das ist der Reiz an der ganzen Sache“, sagt Kühn, der Vorsitzender des Ortsverbands ist. Sein Funker-Kollege Diethelm Burgberg nickt mit dem Kopf. „Das war für uns einfach damals schon in den 1950er-Jahren eine große Sache, wenn auf einmal Kontakt nach Australien oder Hawaii da war“, sagt der 74-Jährige.

Er gehört zu den Gründungsmitgliedern des Ortsvereins Neandertal — in Funkerdeutsch: kurz OV R 0 9. 1961 hat er sich im Wappenkeller, dem heutigen Mettmanner Hof, gegründet, damals noch unter dem Namen Ortsverband Mettmann.

Doch bereits in den 1970er-Jahren entschieden sich die Mitglieder für einen neuen Namen, weil die Funker nicht mehr nur aus Mettmann kamen, sondern aus dem ganzen Kreis und Teilen Düsseldorfs. „Und das ist bis heute so geblieben“, sagt Kühn.

80 Funkamateure gehören dem Ortsverein an. Sie treffen sich regelmäßig in ihrem Clubheim in der Musikschule Mettmann, um zu funken, aber auch um zu klönen und sich über ihr Hobby auszutauschen. Der Jüngste ist zwölf Jahre alt, der Älteste über 80 Jahre. „Es ist die Faszination der Technik, die alle miteinander verbindet“, sagt Kühn. Und Burberg fügt hinzu. „Denn jeder Funker baut ja auch selbst Sendeanlagen. Sie lernen das in der Ausbildung.“

Denn einfach durch die Gegend funken ist nicht: Jeder der Funkamateure absolviert eine mehrmonatige Ausbildung. Danach muss er eine Prüfung ablegen. Besteht er die, bekommt er sein Rufzeichen von der Bundesnetzagentur zugewiesen.

„Wer sich aber nicht an die Regeln hält, darf nicht weiter funken“, sagt Kühn. Gewaltverherrlichende Nachrichten dürfen nicht über die Sender gehen, „auch Politik oder Religion sind Tabuthemen“. In der Regel unterhielten sich die Funker über das alltägliche Leben — über Freunde, Familie oder das Wetter.

„Aber eigentlich geht es darum, überhaupt eine entfernte Station per Funk zu erreichen“, sagt Burberg. Denn dies sei die Kunst beim Funken — genau die Frequenz zu erwischen, auf denen anderen auch gerade funken.

„Darum geht es auch bei Wettbewerben, die von den Funkverbänden ausgetragen werden“, sagt Burberg. Das Ziel lautet dann, in einer bestimmten Zeit möglichst viele Einzelverbindungen in verschiedene Länder herzustellen.

Bei ihrer Jubiläumsfeier soll es aber um etwas anderes gehen. „Wir wollen den Bürgern auch zeigen, dass wir ein offenes Völkchen sind, bei dem jeder willkommen ist — und nicht irgendwelche Eigenbrödler“, sagt Kühn: „Früher hieß es ja immer, dass der Funker mit der ganzen Welt redet, nur nicht mit seinen Nachbarn. Mit dem Image wollen wir aufräumen.“

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