Wenn das Leben Prosa schreibt

Die Tönisheider Autorin Renate Handge hat ein Buch mit Kurzgeschichten veröffentlicht.

Wenn das Leben Prosa schreibt
Foto: Simone Bahrmann

Neviges. Renate Handges erstes Buch heißt nicht umsonst „Sammelsurium“. Die Geschichten der Tönisheiderin reichen von humorigen Alltagsbeobachtungen über nachdenkliche Lyrik bis hin zu politischen Kurzgeschichten. „Das wäre mir zu langweilig, wenn ich immer in einer Sparte bleiben würde“, sagt die 63-jährige Autorin. Handges Inspirationen sind so unterschiedlich wie ihre Texte. Manchmal verarbeitet sie autobiografische Erlebnisse wie etwa in den Werken „Meine geliebte Shisha“ und „Eine Liebesgeschichte“, andere Male brachten aktuelle Nachrichten den Stein ins Rollen. So widmete sie die Geschichte „Espero — Kinder der Hoffnung“ dem Thema Flucht. Das Gedicht „Asylant“ wirkt ebenfalls so, als würde es die aktuellen Geschehnisse in der Weltpolitik thematisieren, allerdings verrät Handge: „Das habe ich schon vor 14 Jahren geschrieben. Ich fand es erschreckend, wie aktuell das Thema jetzt wieder ist.“

Mit Lyrik fing bei der Hobbyautorin alles an. Für Prosa fand die gebürtige Wuppertalerin, die 40 Jahre in unterschiedlichen Bereichen der Justiz gearbeitet hat, vor ihrem Ruhestand nie die Zeit. Ironischerweise ist es jetzt gerade das Schreiben, was ihr Entspannung verschafft. „Man geht weg aus der realen Welt und es stört einen nicht mehr, was draußen ist“, beschreibt sie ihren Schaffensprozess.

Irgendwann sollte das aufgeschriebene Innenleben dann aber die eigenen vier Wände verlassen. Die Tochter einer Freundin motivierte Handge, ihre Lyrik doch einfach einmal einzusenden. Mit Erfolg: Nachdem ihr erstes Gedicht „Sonntag“ 2012 in der Anthologie „Heißer Sommer“ veröffentlicht wurde, fasste die Pensionärin Mut für mehr und suchte offensiv Wege der Veröffentlichung. 2015 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Das Licht der Freiheit“ den Meerbuscher Literaturpreis in der Kategorie Prosa. In dem Text versetzt sie sich in die Rolle eines politischen Gefangenen, der sich nach dem titelgebenden Licht der Freiheit sehnt. Ganz in ihrer eigenen Realität verankert ist hingegen die Geschichte „Meine geliebte Shisha“. Eben diese Shisha steht nämlich wirklich in Handges Wohnzimmer in Tönisheide. In der Geschichte erfährt der Leser, dass es sich bei diesem exotischen Fremdkörper um ein Reiseandenken aus Damaskus handelt. Liebevoll spricht die Autorin in ihrem Werk die nie genutzte Wasserpfeife an: „Verzeih, manchmal habe ich sogar mit dem Gedanken gespielt, dich in den Keller zu verbannen. Aber hätte ich das je übers Herz gebracht? Ich glaube nicht.“

Erster Leser ihrer neuen Werke ist immer Handges Mann, der als Journalist für Fachzeitungen schreibt. Der redigiert, gibt Tipps und sagt auch mal, wenn ihm eine Geschichte nicht gefällt. Wie Handge mit Kritik umgeht? Darauf gibt es einen kleinen Hinweis in ihrem Text „Kopfgeburten“: „Aber gerade an diesen so mühsam aufgepäppelten Kopfgeburten hängt mein Herz besonders, und ich werde sie gegen unangebrachte Kritik vehement verteidigen.“

Seit 2014 ist Handge Mitglied beim Literatentreffen in Wuppertal und nimmt an der monatlichen Lesung „Poetischer Monatsausklang“ teil. Bei Lesungen, das gibt sie zu, hat sie noch immer etwas Lampenfieber. Trotzdem freut sie sich schon auf das „Heimspiel“ in Tönisheide (siehe Kasten).

Was die Zuhörer dann zu Ohren kriegen? Wer weiß. Gerade erst hat die 63-Jährige wieder etwas Neues ausprobiert und sich an ein paar Kurzkrimis versucht. „Ich habe plötzlich meine mörderische Seite entdeckt“, sagt Handge mit einer gewissen Verwunderung über sich selbst. „Eigentlich lese ich Krimis nicht sonderlich gerne.“

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