Voßnacker Schulchronik erzählt Geschichte und Geschichten

In einer Kladde haben die Lehrer 150 Jahre des Lebens in der Bauernschaft festgehalten.

Voßnacker Schulchronik erzählt Geschichte und Geschichten
Foto: Archiv

Neviges. Schülerzahlen, Lehrerwechsel, Elternabende, Abschlusslisten — „wer an Schulchroniken denkt, kann sich kaum etwas Langweiligeres vorstellen“, sagt Dr. Helmut Grau. Ein Zufallsfund im Velberter Stadtarchiv belehrte den Germanisten und ehrenamtlichen Mitarbeiter des Landschaftsverbandes Rheinland und seine Mitstreiter Josef Johannes Niedworok und Sven Polkläser eines Besseren.

Voßnacker Schulchronik erzählt Geschichte und Geschichten
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In einer handgeschriebenen Kladde hatten Generationen von Lehrern mal in Kurrentschrift, mal in Sütterlin die „Chronik der Ev. Schule in Vosnacken“ festgehalten. Beginnend im Jahr 1789 entpuppten sich die Aufzeichnungen, angereichert mit zahlreichen, teils recht skurrilen Anekdoten, nicht nur als Spiegel von 150 Jahren Lokalgeschichte der Bauernschaft. Auch das große Weltgeschehen fand sich aus der Sicht der kleinen Landschule geschildert.

Das entsprach dem 1863 herausgegebenen Ministerialerlass, nach dem die Schulchronik zugleich Ortschronik sein sollte, ergänzt Polkläser. In dem Buch „Zwei Silbergroschen für einen Schüler“, erschienen im Scala-Verlag, haben die drei Autoren diese Chronik auf 190 Seiten aufgearbeitet und mit zahlreichen Bildern versehen.

Anlass für die Gründung einer eigenen Schule waren die weiten Schulwege, die der Nachwuchs der 14 umliegenden Höfe zurücklegen musste. Per Los wurde Bauer Singscheid bestimmt, das Schulhaus zu bauen, die Entlohnung des Lehrers erfolgte in Naturalien — Butter, Speck, Fleisch - und warmen Mahlzeiten, die dieser wöchentlich wechselnd bei den Bauernfamilien einnahm.

Viel Spaß bereiteten den Autoren zahlreiche Kuriositäten, wie etwa die sang- und klanglose Pensionierung der amtierenden Lehrerin durch die königliche Regierung im Jahr 1889 wegen angeblich liederlichen Lebenswandels: „Dazu muss man wissen, dass es bis 1958 einen Lehrerinnenzölibat gab“, erläutert Polkläser: Heiratete eine Lehrerin, verlor sie Job und Pensionsansprüche - durch die Ehe war sie ja versorgt.

Was auch nicht mehr bekannt ist: Die Schule betrieb ab 1912 eine für den Bergbau wichtige Erdmagnetwarte, die der Hauptlehrer zu betreuen hatte. „Vermessungen untertage wurden recht zuverlässig mit dem Kompass durchgeführt. Weil sich das Erdmagnetfeld bewegt, sind allerdings regelmäßig Eichungen notwendig“, sagt Niedworok.

1932 bricht die Chronik ab, die entsprechenden Seiten wurden offensichtlich vorsätzlich entfernt. Die Geschichte der Landschule endet schließlich im Jahr 1958.

„Zwei Silbergroschen für einen Schüler“ ist für 24,80 Euro im Buchhandel erhältlich.

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