Schüler erleben einen Tag mit Handicap

An der Lindenschule fand jetzt ein Projekttag mit der Weik-Stiftung statt, an dem die Kinder Behinderungen „ausprobierten“.

Wülfrath. „Ich habe Angst“, sagt Jasmina vorsichtig, als sie hinten auf das Tandem-Fahrrad steigt. Ihr Vordermann, ein Mitglied des ADFC Langenfeld, beruhigt sie. Dann kann es losgehen. Vorne wird gelenkt, Jasmina tritt sanft mit in die Pedale. Sie trägt eine Augenbinde und kann selbst nichts sehen. So fährt sie eine große Runde über den Schulhof der Lindenschule. Einmal selbst zu erfahren, wie es sich anfühlt, sich einem anderen Menschen anvertrauen zu müssen oder auf Hilfsmittel angewiesen zu sein, ist die Idee hinter dem Projekttag „Ein ganz normaler Tag“, der am Dienstag schon zum zweiten Mal in der Grundschule stattgefunden hat.

Alle vier Jahre ist dieser Aktionstag geplant — damit alle Grundschüler einmal dabei sein können. Gemeinsam mit der Weik-Stiftung gab es jetzt viele Stationen, an denen die Kinder etwas selbst ausprobieren konnten. So auch eine Etage höher. In Zweierteams müssen sie dort einen Parcours ablaufen. Je ein Schüler trägt eine Augenbinde, der andere muss führen. So geht es im Slalom zwischen Stühlen durch, auf Tische und wieder herunter. „Ihr tragt hier viel Verantwortung“, erinnert Peter Mecklenbeck die Schüler, bevor sie beginnen.

Mecklenbeck organisiert für die Stiftung die Aktionstage an den Schulen, tritt mit der Schulleitung in Kontakt und bereitet den gemeinsamen Tag vor. Er findet es wichtig, dass so früh schon mit dieser Sensibilisierung begonnen wird. „Grundschüler kann man noch prägen“, sagt er. Beim Aktionstag werden sie spielerisch ans Thema herangeführt. Draußen auf dem Schulhof übt eine andere Klasse gerade, wie es ist, auf Krücken zu gehen. Manche tun sich schwer, ein paar Stufen hinaufzugehen.

Frage von Schülern an den blinden Besucher Wolfgang Krafft

Weiter hinten auf dem Spielplatz geht es um das Thema Übergewicht. Mit schweren Gewichten an den Beinen, an den Armen und am Rumpf versuchen die Kinder hier, wie sonst auch zu klettern und über den Sand zu rennen. Dabei kommen einige ganz schön ins Schwitzen.

Wieder zurück im Schulgebäude wird es dann ganz leise. Denn anders können die Kinder diese Station nicht meistern. Im Kreis, Fuß an Fuß, sitzen sie, die Augen verbunden und versuchen, sich einen Ball zuzuspielen. Der hat eine kleine Klingel innendrin, ist also zu hören. Aber eben nur, wenn alle ganz still sind. Wo ist denn nun Paul, der den Ball als nächstes bekommen soll? Er ruft einmal seinen Namen: „Paul.“ Sein Gegenüber versucht, ihn zu treffen. Der Ball rollt zwei Schüler daneben. Gar nicht so einfach.

Nebenan erklärt eine der Lehrerinnen gerade, wie Gehörlose kommunizieren können. Die Kinder lernen die Gebärden für ihre Klassennamen: Tiger- und Elefantenklasse. Und haben jede Menge Fragen. Ein Zimmer weiter haben sie Hemmungen, all ihre Fragen zu stellen. Dort ist Wolfgang Krafft zu Besuch. Er ist seit seiner Kindheit blind und erklärt den Kindern, welche Hilfsmittel es für ihn gibt. Die Braille-Schrift zum Beispiel. Er erklärt: In vielen Fällen sind für ihn die Finger der Augenersatz. Manche trauen sich dann doch, einmal nachzufragen: „Tut das an den Augen weh, wenn man blind ist?“

Schulleiterin Birgit Haske freut sich, dass alle mit so viel Motivation dabei sind. In den Klassen wurde der Tag schon in den vergangenen Wochen vorbereitet. „Es ging viel darum, dass jeder etwas Besonderes hat. Der eine ist sehr schnell, der andere langsamer. Aber alles ist ganz normal“, sagt sie. Auch im Nachhinein werden die Lehrer mit den Kindern die Erlebnisse des gemeinsamen Tages durchgehen und verarbeiten.

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