Konzert in völliger Dunkelheit

Für die Besucher im Bürgerhaus war es ein völlig neuartiges Erlebnis: Ausgestattet mit einer Schlafmaske, hörten sie dem Ensemble „WorldBrass“ zu.

Konzert in völliger Dunkelheit
Foto: Bangert

Langenberg. Das war eine komische Polonaise: Mit kleinen Tippelschrittchen im Gänsemarsch in Sechsergruppen, die Hände auf den Schultern des Vordermanns oder Vorderfrau, geht es in den Saal des Historischen Bürgerhauses. Dank einer dicht schließenden Schlafmaske sehen die Konzertbesucher nichts, Helfer führen sie vorsichtig zu den Stühlen und achten darauf, dass jeder richtig zum Sitzen kommt.

Felizitas Grossmann, Besucherin

Zuvor hat ihnen im Foyer Shawn Grocott ein ungewöhnliches Klangerlebnis in völliger Dunkelheit versprochen, nicht abgelenkt durch Blicke auf die Musiker, Nachbarn oder dem Konzertsaal. „Sie werden staunen“, versprach der kanadische Posaunist, der mit dem internationalen Blechbläserensemble „WorldBrass“ in Bürgerhaus in völliger Dunkelheit spielte. „Um die Überraschung komplett zu machen, händigen wir Ihnen nach dem Konzert das Programm aus, da können sie lesen, was Sie gehört haben. Es ist übrigens nicht verboten die Maske abzunehmen, aber Sie bringen sich um den Zauber.“

Das taten nur die allerwenigsten, fast alle hielten ihre Augen während den 70-minütigen Konzertes bedeckt. Felizitas Grossmann lehnte sich bequem zurück: „Ich bin gespannt, was jetzt kommt. Das war schon toll, wie wir im Gänsemarsch hier rein gegangen sind.“

Als alle in dem spärlich beleuchteten Saal Platz genommen hatten eröffneten die Bläser von der Empore aus mit feierlicher Barockmusik von Michael Praetorius das Konzert im Dunkeln. Anschließend wechselten sie auf Socken und Hausschuhen geräuschlos auf die Bühne, nur ein Musiker polterte mit schwerem Schuhwerk mitten durchs Publikum. Nach dem modernen Stück von Theo Brandmüller, wo sich mancher die Ohren zuhielt, wirkten die Choralvorspiele von Johann Sebastian Bach wie himmlischer Balsam.

Helga Woizeschke, Besucherin

Bei den nächsten Stücken wechselten die Bläser immer wieder ihre Standorte, mal positionierten sich einige mitten unters Publikum, mal waren sie nur gedämpft zu hören, weil im Foyer standen. Stille gab es zwischen den Standortwechseln nicht, mal hämmerte der Schlagzeuger umhergehend auf seine Klanghölzer, mal düsten Flugzeuge aus den Lautsprechern oder liebliches Vogelgezwitscher deckte die Zuhörer ein.

Die Musiker hatten sich zuvor tagelang mit dem Historischen Bürgerhaus beschäftigt, um die Möglichkeiten für dieses ungewöhnliche Konzert zu erkunden. Das Ende kam wie angekündigt abrupt, die Schlafmasken rutschen auf die Stirn, Applaus brandete auf. Nicht jeder war begeistert: „Es war sehr bläserlastig, ich musste mir die Ohren zuhalten, das hat das Sinnerlebnis ein bisschen verstopft“, mäkelte Martin Müller, der ansonsten die Musiker „unglaublich“ gut fand.

Belinda Dietz hingegen hatte es gefallen. „Das war sehr gut, weil überraschend und spannend, ein großer Konzertgenuss.“ Helga Woizeschke teilte diesen Eindruck. Die größte Überraschung erlebte sie, als sie Schlafmaske abzog. „Ich saß direkt in Front von der Bühne, das hätte ich nicht gedacht.“

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