Klage gegen Zensus geht in nächste Runde

Einwohnerschwund: Velbert hat erneut Beschwerde vor dem Verfassungsgericht eingelegt.

Klage gegen Zensus geht in nächste Runde
Foto: Simone Bahrmann

Velbert. Es ist ein Streit um mehr als 2900 Menschen. Um Velberter, die nicht weggezogen sind oder gar verschwunden, die aber trotzdem in der Statistik nicht mehr auftauchen — eine Auswirkung des Zensus’ im Jahr 2011. Velbert bleibt bei dieser Angelegenheit zusammen mit der Stadt Bonn und der Gemeinde Much am Ball und hat kurz vor dem Jahreswechsel erneut Verfassungsbeschwerde in Münster eingelegt.

Andres Wendenburg, ehemaliger Dezernent der Stadt

Dieses Mal richtet sich die Beschwerde gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz 2015. Dieses regelt die Zuweisungen an Städte und Gemeinden — auf Basis der neuen 2011er Einwohnerzahlen. Dass das Velbert so wie unzähligen weiteren Gemeinden in der Bundesrepublik nicht passt, ist klar: Zum Europatag am 9. Mai 2011 verschwanden auf dem Papier fast 3000 Velberter, die bislang im städtischen Melderegister standen. Die neue amtliche Einwohnerzahl: 81 303. Durch die „korrigierte“ Zahl sollen der Stadt Velbert angeblich Zuweisungen in sechsstelliger Höhe entgehen. Die Stadtverwaltung konnte die finanzielle Dimension des Einwohnerschwundes gestern aus personellen Gründen nicht kommentieren.

Die drei klagenden Kommunen hatten bereits zusammen mit vielen anderen NRW-Städten und Gemeinden vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz geklagt. Jetzt frischen Velbert, Bonn und Much ihre erste Beschwerde von 2014 vor dem Verfassungsgericht auf. „Das ist wichtig, weil sich die erste Beschwerde nur gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 richtet“, erklärt die Münsteraner OVG-Richterin Gudrun Dahme.

Was aus dem Verfahren von Ende 2014 wird, steht noch in den Sternen. Dahme sagt: „Da ist noch nicht einmal ein Termin angesetzt.“ Erfolgreich gegen den Zensus war bislang noch keine Kommune.

Aus Sicht von Velbert, Bonn und Much benachteiligt der Zensus Gemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnern. Das liege daran, dass die Statistiker bei genau diesen Kommunen hochgerechnet haben soll und keine vollständige Zählung durchgeführt wurde. Dies führe zu einer Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführer auf interkommunale Gleichbehandlung. Die bis dahin gültige Volkszählung 1987 habe sich in der Methodik unterschieden.

Auch abseits der rechtlichen Bewertung zweifelt Velbert die neuen Zahlen an. Als die Zensuszahl bekannt wurde, verwies der damalige Dezernent Andres Wendenburg auf das „bestens gepflegte und penibel geführte“ Melderegister. Verärgerte sagte er der WZ: „3000 Bürger gehen nicht einfach verloren.“ Unregelmäßigkeiten in diesem Rahmen wären etwa bei der bis 2010 erfolgten Verteilung der Lohnsteuerkarten, bei den Wahlbenachrichtigungen und nicht zuletzt durch die Gebührenbescheide der Kommunalabgaben offensichtlich geworden.

An dem neuen Verfahren, das unter Umständen mit dem 2014er Rechtsstreit zusammengefasst wird, sind neben den drei Kommunen auch die Landesregierung NRW und der Landtag beteiligt.

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