In jedem Haus einmal zu Gast

In 25 Jahren Gemeindearbeit hat sich für Pfarrer Ingolf Kriegsmann einiges gewandelt.

In jedem Haus einmal zu Gast
Foto: Simone Bahrmann

Wülfrath. Als Pfarrer Ingolf Kriegsmann 1991 nach Wülfrath kam, hatte die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde noch fast 8000 Mitglieder, vier Pfarrer und leitete mit der Stadt ein eigenes Krankenhaus. Seitdem hat sich einiges getan. Wenn der katholische Kollege Heinz-Otto Langel im Herbst Wülfrath verlässt, ist Kriegsmann der dienstälteste Pfarrer der Stadt. Sein 25. Jubiläum wird am Sonntag mit dem Gemeindefest gefeiert.

Der Einstieg in die Wülfrather Gemeinde fiel dem gebürtigen Kölner nach vier Jahren Praxiserfahrung im Stadtteil Dellbrück leicht. Der heute 57-Jährige erinnert sich: „Mein Vorgänger war sehr konservativ. Man hat damals richtig gemerkt, dass die Leute auf einen jungen Pfarrer gewartet haben.“ So sei er in der Kalkstadt, zu der er vor seiner Bewerbung keinerlei Verbindung hatte, mit offenen Armen empfangen worden. Plötzlich führte ein junger Pfarrer Dinge wie Jugendfreizeiten, Familiengottesdienste oder die Reihe Kirche und Kunst ein — den Gemeindemitgliedern gefiel’s.

Mit ihm kam seine Frau Anette Glimm-Kriegsmann in die Kalkstadt, die zunächst als Pfarrerin in der Gemeinde tätig war und mittlerweile als Krankenhausseelsorgerin in Mettmann arbeitet. Viel Zeit zum Durchatmen gab es damals für die Neuankömmlinge nicht. Ingolf Kriegsmann erinnert sich noch gut: „An meinem allerersten Arbeitstag hatte ich direkt zwei Hochzeiten an einem Tag.“

Auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen — im übertragenen Sinne ist das im Laufe der Jahre für Kriegsmann zum Alltag geworden. Innerhalb der vergangenen vier Jahre gingen zwei Pfarrerkollegen in den Ruhestand, wobei die Stellen aus finanziellen Gründen nicht nachbesetzt wurden. Übrig sind jetzt für die 6000 Gemeindemitglieder nur noch Thomas Rehrmann und Ingolf Kriegsmann. Die Hälfte des Personals stemmt heutzutage fast die gleiche Menge an Arbeit. Bleibt da nicht automatisch irgendetwas auf der Strecke? Kriegsmann lacht: „Ja, die Freizeit.“ Mittlerweile habe der Wülfrather kaum noch Zeit für sein Hobby, das Malen.

Bis zu den Sommerferien wird der Pfarrer kein freies Wochenende mehr haben. „Bei unserem Beruf darf eben nichts liegenbleiben“, sagt er. Unvorbereitet zur Trauerfeier oder Taufe erscheinen? Das geht eben nicht.

Das Schrumpfen der Gemeinde erklärt sich für Kriegsmann hauptsachlich durch den demografischen Wandel. „Wir haben jedes Jahr 100 Trauerfeiern, aber nur 50 bis 60 Taufen“, stellt er fest. „Zudem ist es heute nicht mehr selbstverständlich, dass der Glaube an die nächste Generation weitergegeben wird.“ Dass die Kinder im Religionsunterricht heutzutage die biblischen Geschichten nicht mehr kennen, nutzt Kriegsmann zu seinem Vorteil: „So ist dann der Überraschungseffekt noch da.“

Schulkinder, Konfirmanden, Eheleute, Senioren — dass er mit allen Altersschichten zu tun hat, macht für Kriegsmann den großen Reiz des Pfarrerseins aus. Und: „Ich finde es gut, hier in Wülfrath meine eigene Geschichte zu haben.“ So seien bereits die ersten Kinder in seinem Konfirmandenunterricht, deren Eltern er damals schon ins kirchliche Erwachsenenalter überführt hat. Der Pfarrer lächelt: „Ich glaube, ich war schon in jedem Haus meiner Gemeinde.“

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