„Ich kann nicht ohne Neviges“

Bei Gemüsehändler Mesut Ardic dürfen die Kunden alles probieren, aber niemals handeln. Da versteht der Ex-Steuerberater keinen Spaß.

„Ich kann nicht ohne Neviges“
Foto: U. Bangert

Neviges. Zu Händler Mesut Ardic kommt niemand, um schweigend eine Gurke auf die Theke zu legen. Der kleine Pavillon an der Elberfelder Straße ist keine Bücherei. „Heute besser Brokkoli oder Blumenkohl?“, fragt eine Kundin. Der nächste Stammkunde schlägt dem Türken erst einmal freundschaftlich auf die Schulter, ehe es an den geschäftlichen Teil geht. Ein anderer Mann lässt die Bestellung gleich ganz weg und bekommt automatisch sein Obst gereicht. „Das ist ein Stammkunde. Der kauft jeden Tag vier Kiwi“, erklärt Ardic.

Serie: Im Herzen

von Neviges

Seit Dezember 1997 ist der 55-Jährige am Brunnenplatz in der Fußgängerzone die Anlaufstelle für den täglichen Vitamin- und Gesprächsbedarf. Im ersten Jahr stand er noch zusammen mit seiner Frau im Laden, doch schnell kam für Ardic die Erkenntnis: „Wenn Mann und Frau sich 24 Stunden sehen, dann ist das nicht gut.“ Der Türke lächelt. Das könne ruhig in die Zeitung. „Kein Problem.“

In seiner Heimat war der Türke Steuerberater. Sein ursprüngliche Plan war es, mit dem Laden die Zeit zu überbrücken, um auch in Deutschland die Qualifikation für seinen Beruf zu erwerben. Doch dazu kam es nie. „ Der Laden lief so gut. Da habe ich einfach damit weitergemacht. Und jetzt ist es zu spät“, sagt Ardic. Doch die Reue überwiegt nicht. Der Türke fühlt sich wohl als Gemüsehändler im Wallfahrtsort. „Ich wohne zwar in Langenberg, ich fühle mich aber als Nevigeser.“ Seine Freunde seien eben hier. Da kann es schon mal passieren, dass er im Türkei-Urlaub Heimweh bekommt. Nach Neviges. 40 Grad und Sonne vertrage er gar nicht mehr so gut.

Ein wenig bedauert Ardic höchstens, dass er über die Jahre seine Sprachkenntnisse nicht vertieft hat. „Ich rede kein schönes Deutsch“, sagt Ardic, „aber es kommt von Herzen.“ Seine Stammkunden wissen das zu schätzen. Ebenso wie seine Flexibilität. Was es bei Ardic nicht gibt, versucht er in den frühen Morgenstunden im Großmarkt zu besorgen. Daher liegen mittlerweile 18 verschiedene Apfelsorten in dem Pavillon aus. „Die Leute kommen immer mit neuen Namen an“, berichtet der Ladeninhaber.

Gerne dürfen Neugierige auch mal probieren, was es denn mit Apfelsorten wie Wellant oder Santana auf sich hat. Naschen erlaubt — Feilschen verboten. „Manche Leute fangen bei mir zu handeln an, weil ich Türke bin. Die schicke ich sofort zum Kaufpark“, sagt Ardic. Da versteht er keinen Spaß. Zuletzt war seine Laune wegen eines anderen Themas getrübt: Der Umbau des Brunnenplatzes vor seiner Tür hat den Inhaber viele Nerven gekostet. „Das hat uns viel kaputt gemacht“, sagt er und schaut die mäßig belebte Fußgängerzone hinunter. Seit der Arbeiten sei die Laufkundschaft eingebrochen. Und der neue Platz überzeugt ihn auch noch nicht. „Zu viel Beton, zu wenige Bänke“, sagt er. Als Bagger vor seiner Tür wüteten, habe er schon mal mit dem Gedanken gespielt, alles hinzuschmeißen, den aber schnell wieder verworfen. Ardic gesteht: „Ich kann nicht ohne Neviges.“

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