Ein Realschulleiter auf der Zielgeraden

Frieder Winterberg verabschiedet nach und nach seine Kollegen. Er bleibt bis zum Ende.

Ein Realschulleiter auf der Zielgeraden
Foto: Janicki

Wülfrath. Dass Frieder Winterberg ein gutes Verhältnis zu seinen Schülern pflegt, ist gemeinhin bekannt und wohl auch nichts Spektakuläres. Als Schulleiter ist er nah dran am Schulalltag — und gelegentlich auch an Sorgen und Nöten.

Seit vor Jahren der Beschluss gefasst wurde, die Realschule zugunsten der Sekundarschule auslaufen zu lassen, kann dort von Normalität keine Rede mehr sein. „Es ist nicht einfach zu sehen, wie das eigene System immer kleiner wird. Ich bin nun mal ein Realschul-Mann“, beschreibt Frieder Winterberg eine Situation, die ihm so manches abverlangt. Allem voran das Bemühen, die Schüler der drei letzten Jahrgänge möglichst wenig spüren zu lassen vom permanenten Ausnahmezustand.

Ist es üblicherweise ein Kommen und Gehen im Lehrerzimmer, stehen jetzt ständig neue Abschiede an. Erst kürzlich musste er auch seine Stellvertreterin verabschieden. Er macht kein Geheimnis daraus, wie schwer ihm das gefallen ist. Auch in der Vergangenheit kannte man den Schulleiter schon als streitbaren Verfechter für das offene Wort. Als er sich mit den anstehenden Veränderungen vom Kultusministerium im Stich gelassen fühlte, nahm er kein Blatt vor den Mund. Ebenso wenig wie auf einer der Entlassfeiern, als er plötzlich gegenüber den Zehntklässlern ungewohnte Töne anschlug.

Von einer poppigen Freizeit der heutigen Schülergeneration ohne Nährwert und mit dem besonderen Extra war die Rede. Davon, dass sich viele Schüler in Sachen Wissen mit einem „Ausreichend“ zufriedengeben. Sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und sich nach dem Ellenbogenprinzip durchsetzen zu wollen, hält Frieder Winterberg für eines der größten Probleme der heutigen Schülergeneration. Dass es dazu auch noch Eltern gibt, die ihre Kinder aus allem „um jeden Preis raushauen“, liegt ihm ebenso schwer im Magen. Vor allem, weil er um jeden seiner Schüler kämpft.

Dazu gehört seiner Ansicht nach auch, sich einzugestehen, dass Schule mit ihren Einflussmöglichkeiten an Grenzen stoßen kann. So gibt es immer wieder Ärger mit Schülern, die jenseits des Schulhofes rauchen. Winterberg hat das Ordnungsamt gebeten, sich ebenfalls der Sache anzunehmen. So ganz falsch kann das alles nicht gewesen sein. Bis heute rufen ihn Ex-Schüler an, um ihn in der Schule zu besuchen.

Er selbst würde sich immer wieder dafür entscheiden, als Lehrer vor Schülern zu stehen. Auch wenn er nun — nach 35 Jahren — seine Pensionierung im Blick hat. Im Sommer 2017 soll es so weit sein. Ein Jahr später wird der letzte Jahrgang seine Zeugnisse in den Händen halten. Und die Realschule wird Geschichte sein.

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