Ein Leben fürs Hotel - Hans Willi Stüttgen wird 90 Jahre

Hans Willi Stüttgen kann am Sonntag seinen 90. Geburtstag feiern — und das wird kein Dinner for one.

Velbert. Im Internet taucht das „Hotel-Restaurant Stüttgen“ noch immer in Tourismus-Datenbanken auf: „Drei Sterne, 30 Betten, Zimmer mit Dusche o. Bad/WC, gutbürgerliche Küche.“ Dabei ist das Hotel an der Friedrichstraße/Ecke Bahnhofstraße seit elf Jahren geschlossen. Noch immer präsent ist jedoch sein Besitzer, Hans Willi Stüttgen, der das Haus als Altersruhesitz nutzt.

Am Sonntag wird er 90 Jahre alt. „Es rufen weiterhin Leute an, die ein Zimmer buchen wollen, vor allem zu Messezeiten. Aber die kriegen nix“, sagt Stüttgen und schmunzelt. Das Hotel unterhält er nur noch für sich. Am Sonntag jedoch hat er Gäste: Unter dem Motto „Der 90. Geburtstag, aber kein Dinner for one“ erwartet Stüttgen 35 Gratulanten.

Denn sein Hotel befindet sich keineswegs im Dornröschenschlaf. Es ist ein Schatz, der gepflegt wird. Nicht nur, wenn es etwas zu feiern gibt. Der Speisesaal ist bereits festlich gedeckt; aus den Lautsprechern säuselt die dezente Musik eines Frühstückssalons. In den Ecken schmiegen sich Ledersofas an die weiße Stofftapete mit Farnblättern. Orient-Teppiche erstrecken sich über die Flure bis zur Rezeption.

Am Sonntag werden nicht nur Menschen, sondern auch Düfte die Räume durchströmen: Stüttgens Sohn Frank, ausgebildeter Koch und Leiter der Gastronomie einer Frankfurter Bank, wird ein Fünf-Gänge-Menü zubereiten, unter anderem mit Hummercrèmesuppe mit Jakobsmuschel, Rinderfilet mit Kartoffelplätzchen und Eisparfait mit Ananas-Chilikompott.

Seit 1879 im Besitz der Familie Stüttgen, leitete der Altersjubilar das Velberter Domizil zusammen mit seiner Frau Hildegard zuletzt rund 40 Jahre in dritter Generation, bis er im April 2001 die Pforten schloss. Dass Hans Willi die Tradition der Familie fortführen würde, war für ihn damals selbstverständlich.

Mit 16 Jahren ging er auf gastronomische Wanderschaft: Erst als Page, dann im Service und im Empfang, erhielt er seine Ausbildung zum Hotelkaufmann — zunächst im Grand Hotel „Westminster Astoria“ in Dresden, später in den beiden Düsseldorfer Hotellegenden, dem Parkhotel und dem Breidenbacher Hof. Es war eine Lehre mit Brüchen, zumal der ganze Jahrgang im Februar 1941 zum Militär eingezogen wurde. Erst 1945 konnte Stüttgen in sein Metier zurückkehren. Anfangs als Junior-Chef im Familienunternehmen, übernahm der Modelleisenbahn-Fan nach dem Tod seines Vaters 1957 die Leitung des Hotels.

Stüttgen legte Wert auf einen kultivierten, eleganten Stil und geschultes Personal. Es sollte „das erste Haus am Platz“ sein. „Der Gast war hier König. Zumindest ein kleiner.“ Zu seinen Verdiensten gehörte unter anderem der „Schloßkeller“, den Hans Willi 1963 unter dem Haus einrichtete — ein uriger Gastraum mit gemalten Stadtansichten an den Wänden und Schlössern aus dem Bestand des Museums.

90 Jahre Lebenserfahrung trägt Hans Willi Stüttgen in sich. Vieles geschehe, doch vieles könne man auch steuern: Zu seinem Rezept für gesundes Älterwerden gehören Motivation in den Dingen, die man tut (als er das Hotel schloss, war Stüttgen fast 80), Liebe (mit seiner Frau, die 2004 starb, war er 53 Jahre verheiratet) und Bewegung: Als junger Mann entdeckte er den Laufsport, errang Medaillen über 400 und 800 Meter. Heute sind für ihn bei schönem Wetter Spaziergänge von ein, zwei Stunden keine Seltenheit. Und dann ist da noch etwas, was er nicht auszusprechen braucht. Weil man es ihm ansieht: Immer ein bisschen verschmitzt bleiben. Egal, wie alt man ist.

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