Buch enthüllt Fakten zur Scheinfabrik

Um die Gussstahlfabrik in Essen vor Angriffen zu schützen, entstand in Velbert ein Scheindorf. Die Geschichte gibt’s als Buch.

Buch enthüllt Fakten zur Scheinfabrik
Foto: Bahrmann

Velbert. Ein neues Buch informiert über die Krupp´sche Nachtscheinanlage rund um den Rottberg. Nachdem Jürgen Lohbeck vor fünf Jahren die damals bekannten Fakten über das vergessene Scheindorf zusammengetragen hatte, kamen immer mehr Zeitzeugenaussagen, Fotos, unberücksichtigte Quellen und andere Erkenntnisse zusammen. Die wurden in dem jetzt neu erschienenen Buch ausgewertet und zusammengetragen.

„Historische Forschung darf nicht ruhen, sie lebt von weiterführenden Recherchen“, weiß Autor Helmut Grau, der zusammen mit Jürgen Lohbeck und Sven Polkläser über das streng geheime Projekt des Zweiten Weltkrieges berichtet. „Es galt, die Gussstahlfabrik in Essen vor nächtlichen Luftangriffen zu schützen. Die wurde mit ganz einfachen Mitteln nachgebaut“, hat Jürgen Lohbeck herausgefunden.

So gab es einen Schornstein aus Holz, künstlicher Rauch waberte über die Felder, auf einer Eisenbahn im Rundkurs wurde „glühende Schlacke“ transportiert, alles war mit schwachem Licht erfüllt. „Mit Holzlatten wurden Sheddachattrappen gebaut, die ungefähr so aussahen, wie heutzutage Solaranlagen“, ergänzt Sven Polkläser, der sogar Dienstvorschriften zum Bau von Scheinanlagen gefunden hat. „Es sollten eklatante Verdunkelungsfehler dargestellt werden“, schildert Helmut Grau und erinnert daran, dass bis zum Eintritt der USA die Briten aus Angst vor der der deutschen Flugabwehr nur nachts angriffen. Aus diesem Grunde wurde der Baldeneysee bei Essen trockengelegt, die spiegelnde Wasseroberfläche sollte den Piloten keine Orientierungshilfe geben. „Angeblich soll irgendwo mit Folien der See nachgebildet worden sein, aber dafür haben wir keine Erkenntnisse.“

Gerüchten und Hinweisen von Zeitzeugen oder deren Angehörigen gehen die ehrenamtlichen Mitarbeiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege gerne nach. Von der Scheinanlage blieb nur der Leitstellenbunker erhalten. Zum Tag des Offenen Denkmals im vergangenen Jahr konnte Kontakt zu der Tochter des Soldaten geknüpft werden, der in diesem Objekt seinen Dienst versah. Der gelernte Furniertischler aus Ostwestfalen hatte die Aufgabe, nach jedem Angriff die beschädigten Täuschungsobjekte zu reparieren.

Die englischen Bomberpiloten wurden raffiniert und mehrfach getäuscht. „Die deutsche Luftwaffe schoss die sogenannten ‘Christbäume´ als Markierungspunkte in Höhe, ‘Erfolgsfeuer´ wurden entzündet, die Bombentreffer darstellten, gleichzeitig gab es Flakstellungen, wie es sich für so ein solches Industrie-Objekt gehört“, beschreibt Jürgen Lohbeck.

Anfangs ging das Konzept auf, bis die Briten Anfang 1943 dem Schwindel auf die Schliche kamen. Nach dem Krieg verschwand die Anlage ganz schnell. Übriggeblieben sind die Schienen der Schmalspureisenbahn, die heute als Zaunpfähle dienen, und eben der Leitbunker. Der ist jetzt ein eingetragenes Denkmal, das von tausenden Besucher besichtigt wurde. Wegen der Lage inmitten landwirtschaftlicher Nutzflächen und wegen des organisatorischen Aufwandes ist eine spontane Besichtigung nicht mehr möglich. Allerdings bieten die mit der Geschichte vertrauten ehrenamtlichen Bodenkundler Führungen bis zu 25 Personen an. Anmeldungen unter der Internetadresse im Info-Kasten.

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