Brigitte Peters aus der Bücherei Neviges hält dem Buch die Treue

46 Jahre lang hat Brigitte Peters in der Bücherei Neviges gearbeitet. Jetzt tritt sie ihren Ruhestand an und freut sich auf Zeit, selbst zu lesen — Charles Dickens zum Beispiel.

Neviges. 1965 bestreitet Franz Beckenbauer sein erstes Länderspiel, die Beatles veröffentlichen ihr fünftes Album („Help!“), Malcolm X wird in New York ermordet, ein Schnellzug der Bahn fährt erstmals Tempo 200, Albert Schweitzer stirbt, Rhodesien erklärt seine Unabhängigkeit — und Brigitte Peters nimmt ihren Dienst in der Bücherei Neviges auf.

Die war damals noch in der alten Realschule an der Wilhelmstraße untergebracht. 46 Jahre lang hat Peters seitdem Bücher ausgeliehen, zurückgenommen, katalogisiert, eingebunden und aussortiert. Jetzt ist Schluss: Das Bibliotheks-Urgestein geht in den Ruhestand.

In ihrer Zeit erlebte sie sechs verschiedene Bibliotheksleitungen, einen Umzug, die Einführung neuer Medien und sie begleitete Heerscharen von Lesern: Die Kinder, die sie einst mit Lesestoff versorgt hat, kommen heute mit ihren eigenen Kindern wieder. „Ja, viele von damals kenne ich noch, die sind uns treu geblieben“, sagt die 65-Jährige.

Auch alte Lehrer schauen immer wieder in der Bücherei vorbei, die seit 1975 an der Elberfelder Straße steht. Über die Berufsberatung sei sie damals selbst zu dem Job gekommen, sagt Brigitte Peters und schmunzelt.

„Wir waren immer fortschrittlich“, betont sie und erinnert sich an die Neuerungen, die sie allesamt miterlebt hat. Früher war jedes Buch in einem Zettelkasten hinterlegt, bei der Ausleihe wurde es in ein Leseheftchen eingetragen. Später kam der Friststempel, dann gab es Lochkarten.

Vom heutigen Buchungsverfahren hat man damals kaum zu träumen gewagt. Ebenso wenig davon, dass man von zuhause aus im Online-Katalog der Bücherei stöbern und sich auch elektronischen Lesestoff herunterladen kann.

In den 1970er-Jahren wurde der Buchbestand durch „neue Medien“ ergänzt: Schallplatten. „Im zweiten Stock hatten wir Plattenspieler und Kopfhörer. Da kamen dann immer die Jugendlichen und haben Musik gehört — Gary Glitter und so“, erinnert sie sich.

Damals hätten die Schüler auch noch „richtige Literatur“ ausgeliehen — Goethe, Kleist, die Klassiker eben „und Interpretationen“. Heute sind die großen Dichterfürsten in den Regalen kaum noch vorhanden.

Sehr gefragt war jahrelang auch der große, 25-bändige Brockhaus. „Heute hat jeder Google und Wikipedia. Einmal im Jahr schaut jemand noch im Brockhaus nach.“

Welche Literatur war damals besonders gefragt? „Die Frauen haben die ,Angelique’-Romane gelesen, auch Konsalik und Simmel. Die Männer haben sich oft Bücher über den Zweiten Weltkrieg ausgeliehen — vielleicht zum Aufarbeiten?“

Bei Kindern und Jugendlichen standen Astrid Lindgren („Pippi Langstrumpf“), Erich Kästner und natürlich Karl May hoch im Kurs. „Karl May liest heute kaum noch einer“, bedauert Brigitte Peters. „Wir hatten alle Bände da.“

Dafür sind heute Medien begehrt, die es vor einigen Jahren noch gar nicht gab: Musik-CDs, CD-Roms mit Computerspielen, Filme auf DVD. Ganz besonders boomen Hörbücher: Man liest nicht mehr selbst, sondern lässt vorlesen. Wenn sie jetzt im Ruhestand ist, will Brigitte Peters aber selber lesen. Charles Dickens steht auf ihrer Liste ganz oben. Außerdem freut sie sich auf mehr Zeit für Urlaub mit ihrem Mann, Sport und ihren Garten.

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