Nach der Sucht: Die Kunst, ins Leben zu finden

Klaus Jacoby hat jahrelang Heroin genommen. Heute drückt sich der 55-Jährige durch seine Kunst aus — und verarbeitet die Vergangenheit.

Langenfeld. Klaus Jacoby ist die Freude über das Erscheinen seiner Gäste anzusehen. Schnell wird noch einmal der Couchtisch abgewischt, die Kissen zurecht gerückt und die Musikanlage angestellt. An der Wohnzimmerwand ist kaum noch ein Stück freie Tapete zu sehen, Bilderrahmen reihen sich aneinander.

Viele der Bilder hat Jacoby selbst gemalt. Er hat darin seine Vergangenheit verarbeitet. Der 55-Jährige kramt einen Stapel Skizzen hervor und zeigt sie erwartungsvoll in die Runde. Eine Zeichnung zeigt ein Gesicht, davor ein schwarzes Gitter. Daneben eine Spritze, das Blut formt sich zum Totenkopf. „Ich war schon mehrmals im Knast. Wegen der Drogen“, sagt er knapp.

Seit zehn Jahren wird Jacoby substituiert. Einmal in der Woche erhält er einen Ersatzstoff für das jahrelang konsumierte Heroin. Ob er jemals ohne diesen Ersatzstoff leben kann, ist nicht klar. „Ich führe mittlerweile ein geregeltes Leben. Ich bin zufrieden“, sagt er und schaut sich in seiner 50-Quadratmeter-Wohnung um. Zu seinen Bekannten von damals hat er keinen Kontakt mehr.

Viele sind nach dem jahrelangen Drogenkonsum gestorben. Auch sein Bruder starb an einer Überdosis. Jacoby weiß, dass auch er nicht weit davon entfernt war. „Es gab Zeiten, da habe ich mir alles in den Körper gerammt. Bis ich Sternchen sah. Und dann wachst du irgendwann auf der Intensivstation auf.“ Stunden später sei das Verlangen nach den Drogen wieder da, der Kreislauf beginnt von vorn.

Jacoby spricht offen über seine Vergangenheit. Er will andere davor warnen, einen ähnlichen Weg zu gehen. „Viele Jugendliche sind regelmäßig betrunken. Das ist gefährlich.“

An Jacobys Wohnzimmerwand sticht ein Bild hervor. Ein farbiges Foto zeigt eine ergraute Frau im luftigen Sommerkleid. „Das ist meine Mutter“, sagt Jacoby. Das Bild hatte seine Schwester in seinen Briefkasten geworfen, kurz nachdem die Mutter gestorben war. Die letzten Jahre vor ihrem Tod lebte sie wenige Straßen von ihrem Sohn entfernt. „Gesehen habe ich sie aber kaum.“

Das Verhältnis zu seiner Mutter war schlecht, sagt der 55-Jährige. Er wuchs bei seiner Großmutter auf, seine Mutter habe ihn ein- bis zweimal im Jahr besucht. „Zum Geburtstag gab es ein Kaugummi aus dem Automaten.“ Als sie heiratete, nahm sie den Jungen und seine ältere Schwester mit. „Ich musste aber nachts für meinen Stiefvater Bier holen gehen, in der Schule bin ich deshalb immer eingeschlafen.

“ Wenige Jahre später, Jacoby war etwa 16 Jahre alt, fing es mit den Prügeln an. „Der Mann hatte in seiner Jugend geboxt. Er wusste wie es geht.“ Als der Stiefvater eines Abends der Mutter einen Schlüsselbund ins Gesicht warf, rastete Jacoby aus. Er prügelte seinen betrunkenen Stiefvater durch eine Glastür. „Danach war ich nur noch auf Wanderschaft.“

Sein zwei Jahre älterer Jugendfreund setzte ihm den ersten Schuss. In einer Seitengasse am Freiherr-vom-Stein-Haus. „Wir hatten uns vorher geschworen, das Zeug nie anzupacken.“ Jacoby und sein Freund wollten dieses „überwältigende Gefühl“ immer häufiger haben, später nahmen sie die Droge nur noch, um die Entzugserscheinungen zu mildern.

„Wenn du auf Entzug bist, ist Schmerz kein Ausdruck. Es ist, als ob dich jemand von innen schält.“ Wegen Beschaffungskriminalität landete Jacoby mehrfach im Gefängnis. Entzüge scheiterten immer wieder, weil er schließlich doch wieder in alte Muster verfiel. „Du kommst raus und bist wieder mit deinen Leuten zusammen, die alle drauf sind.“ Vor zehn Jahren schaffte er es, das Muster zu durchbrechen.

Vorwürfe macht er rückblickend niemanden. „Ich habe das Zeug genommen. Ich habe damals ,Ja’ gesagt. Niemand anderes.“ Heute drückt sich der 55-Jährige in seiner Kunst aus. Er hat noch viel vor. Und Ideen. Eine kleine Kapelle hat er entdeckt, die ideal für Ausstellungen und Gesprächskreise wäre. Erst einmal aber werden seine Bilder im Haus der Chancen in Monheim zu sehen sein.

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