Monheimer Karnevalisten sind trotzig

Die Monheimer feierten schon vor 100 Jahren Karneval. Da die Bürgermeister der Nachbarorte dies verboten, zog Monheim Gäste aus allen Himmelsrichtungen an.

Monheim. Mit seiner hohen Dichte an Karnevalsvereinen und seinem Rosenmontagszug, der Schaulustige auch aus vielen Nachbarstädten anzieht, ist Monheim die jecke Hochburg zwischen Köln und Düsseldorf. Ein Blick in die von Armin Drösser verfassten Annalen der Großen Monheimer Karnevalsgesellschaft zeigt, dass Monheim schon vor 100 Jahren ein Außenposten des rheinischen Frohsinns in einer eher narrenfeindlichen Umgebung war. „Monheim nahm eine Sonderstellung ein“, so Armin Drösser.

Um 1900 zogen die Menschen an Rosenmontag nur in kleinen oder größeren Gruppen durch den Ort, einen geschlossenen Umzug gab es erst seit der Gründung der Gromoka im Jahre 1902. Aber bereits die Aufstellung des Zuges von 1903 umfasste ganze 42 Wagen und Gruppen, darunter sogar eine „Deputation von Hilden“. Wagen wie „der verkrachte Wirteverein“ oder „Monnemer Zukunftslicht“ spießten lokale Begebenheiten auf. Die „Koch- und Kunstausstellung“, auf die ein Wagen Bezug nahm, zielte dagegen auf die im Aufschwung befindliche Messestadt Düsseldorf ab.

Mit der Rheinfähre Piwipp und der gleislosen elektrischen Bahn kamen Gäste aus allen Himmelsrichtungen, um sich den Zug anzusehen. Entlang des Zugweges wurden sogar Fensterplätze vermietet. „Und das, wenn man bedenkt, dass Monheim gerade mal 2000 Einwohner zählte und der Ort am Schelmenturm endete“, sagt Drösser.

Wenn in Nachbarorten wie Leichlingen, Langenfeld und Opladen kein Umzug stattfand, lag dies auch an polizeilichen Verordnungen, die „Masken-Aufzüge“ verboten. So hatte beispielsweise der Richrather Bürgermeister Haas eine Verordnung erlassen, wonach Personen, die in der Öffentlichkeit maskiert auftraten, „eine Erlaubniskarte“ mitführen mussten, die beim Polizeibüro zu lösen war und auf Anfrage vorgezeigt werden musste.

Als auch der Monheimer Zoch 1905 von einem Verbot bedroht wurde, setzten die Monheimer sich auf ihre Weise zur Wehr: Auf einem Wagen mit dem Namen „Tiroler Jäger“ wurde während der Kappfahrten ins Umland ein großer Hase jämmerlich verprügelt und dazu Spottlieder gesungen. Als die Beteiligten daraufhin ein „Strafmandat wegen groben Unfugs“ erhielten, wussten sie zumindest, dass hinter der versuchten Spaßsabotage Haas steckte. Der rächte sich, indem er die neue Feuerwache in Richrath so platzieren ließ, dass die Monheimer fortan auf ihren Kappfahrten nach Hitdorf keinen Abstecher mehr nach Langenfeld machen konnten.

Ab 1913 klafft in den Annalen eine große Lücke. Angesichts des verlorenen Krieges, der Besatzungszeit, den Reparationszahlungen sowie der Armut der Bevölkerung schien jedes karnevalistische Treiben unangemessen. Die Berichte setzen erst wieder in den 20er Jahren ein, als das Innenministerium den Wünschen aus der Bevölkerung nachgab und zumindest eine sehr gezügelte Form des Frohsinns wieder zuließ: „Maskenbälle etwa durften nur hinter verschlossenen Türen stattfinden“, erzählt Drösser. Immerhin durfte man sich wieder verkleiden, Karnevals-Lieder singen und — auch dies wird allen Ernstes in dem Erlass ausdrücklich aufgeführt — mit Luftschlangen und Konfetti werfen. Umzüge blieben verboten. Den Bürgern wurde eingeschärft, „sich des Ernstes der Zeit bewusst“ zu sein und „angemessen“ zu feiern.

In Monheim war dieser Erlass wie ein Ventil, durch das sich das lange entsagte Bedürfnis nach ungehemmter Feierlust Bahn brach. Als so der Tambourkorps Monheim unter dem enthusiastischen Titel „Monheim über alles“ einen Maskenball ankündigte, rief das in der Umgebung wütende Kritik hervor: In Leserbriefen wurde moniert, dass in Monheim „Übermut und Flitter ihren Triumph feierten“. Monheim sei wohl vom Großstadtgift angesteckt, weil es trotz der anhaltenden Not Geld für „eitlen Firlefanz“ ausgebe. Auch später, 1927, standen die Monheimer wegen ihrer „Vergnügungssucht“ am Pranger. Vor allem wurde kritisiert, dass hier jedes „kleine Clübchen oder Vereinchen“ eine Veranstaltung abhalte. Kaum sei ein Sonntag mit einem Maskenball vergangen, kündigten Plakate den nächsten an. „Muss denn in Monheim jeden Sonntag was los sein?“, empört sich „ein Beobachter“, der sich wegen dieses „unnötigen Geldausgebens“ um den guten Ruf der Gemeinde sorgte. Als dann die Gromoka 1928 ihren ersten Rosenmontagszug organisieren durfte, lautet das trotzige Motto: „Mer dunt all met, weil mer jett mache dürfe, um wä dat nitt jähn süht, kann uss d’r Nachedäue.“ Natürlich aber zog der Monheimer Rosenmontagszug wieder Tausende von Gästen aus dem Umland an. Bis die Wirtschaftskrise 1930 erneut eine zweijährige Pause einforderte.

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