Lebenslänglich Urlaub

Richter Peter Strauß geht nach 40 Jahren am Gericht in den Ruhestand. Er hat tragische, aber auch skurrile Geschichten erlebt.

Langenfeld. Wehmut schwingt nicht mit. Peter Strauß nennt den bevorstehenden Ruhestand vielmehr schmunzelnd seinen „lebenslangen Urlaub“. Angst, dass er nach rund 40 Jahren als Amtsrichter seinen Beruf vermissen, ihm gar langweilig werden könnte, hat er nicht. „Wenn ich meine Bürotür zuschließe, schließe ich auch ab“, sagt er. Es sei dann einfach an der Zeit.

Seinen Beruf habe er immer gerne gemacht, sagt der 65-Jährige. Auch wenn es nicht gerade sein Kindheitstraum war. „Die Astronomie hatte es mir viel mehr angetan“, sagt er. „Aber weil ich ein ganz schlechter Mathematiker bin, konnte das nichts werden.“ In das Jurastudium war er schließlich so „hineingeraten“. Und je länger er dabei war, desto mehr reizte ihn die Sache. „Das Strafrecht war mein Steckenpferd“, erinnert sich Strauß. Und das sollte auch 40 Jahre später noch so sein.

In seiner Zeit am Langenfelder Amtsgericht habe Strauß viele Geschichten gehört — traurige, tragische und — wie er zugeben muss — auch skurrile. Ein junger Mann habe sich vor einigen Jahren wegen des Besitzes einer Cannabis-Pflanze rechtfertigen müssen. „Er gab an, die Pflanze im Nachbargarten gefunden zu haben“, erinnert sich Strauß. Natürlich aus reinem Interesse an der Natur habe sich der junge Mann die Pflanze mit nach Hause genommen und sie mit seinen Freunden „intensiv studiert“. Auch eine Erklärung, wie die Pflanze wohl in den Garten des Nachbarn gekommen war, hatte der Mann: Zugvögel mussten es seiner Meinung nach gewesen sein, deren Kot einen Samen getroffen habe.

Auch Ordnungswidrigkeiten wie das Telefonieren im Auto boten Stoff für Gerichtsverhandlungen. Da mutierte das Handy schon mal zum Schokoriegel, zu einem Garagentoröffner oder einem Kühlkissen nach dem Zahnarzttermin.

Druck wegen Entscheidungen, die er als Richter zu treffen hatte, spürte Strauß nie. „Ich habe immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, sagt er. Es sei vielmehr der Reiz seines Berufs gewesen, Entscheidungen zu treffen und somit Wirklichkeit zu gestalten. Zuzuhören und abzuwägen — das sei „eine Sache des Trainings“, sagt Strauß.

Und seine Entscheidungen hat er nie bereut: „Ich kann mich an einen jungen Mann erinnern, es muss Anfang der 1980er-Jahre gewesen sein. Nach etlichen Diebstählen war er eigentlich reif für eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Aber ich gab ihm noch eine Chance und verhängte Bewährung. Dieser junge Mann hat seine Chance genutzt“, sagt Strauß. Er machte eine Malerlehre und schloss als Innungsbester ab. „Die Erfolgsquote ist also nicht niederschmetternd“, sagt er. Nichtsdestotrotz habe er im Laufe der Zeit auch viele „Stammgäste“ auf der Anklagebank sitzen gehabt. Die Unverbesserlichen gebe es nun mal auch im Gerichtssaal.

Nachgegrübelt oder etwas gedanklich mit nach Hause genommen, habe er nie — mit einer Ausnahme. „Wenn es um Missbrauch von Kindern geht, laufen einem die Sachen schon hinterher“, sagt er. „Die Gewaltbereitschaft hat im Laufe der Jahre zugenommen.“ Er erzählt von einem Fall, in dem der Mann seine Ehefrau mit der Faust aufs Auge schlug. Die Frau erblindete. „Das Paar trennte sich dennoch nicht“, sagt Strauß.

Es sind Fälle, die dem Richter wohl im Gedächtnis bleiben werden — auch wenn er sagt, als Richter abschließen zu wollen. Er will sich nun der Astronomie widmen. Und damit seiner ursprünglichen Leidenschaft auf den Grund gehen.

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