Patient ist entsetzt: Arzt übersieht Bruch

Mit kaum auszuhaltenden Schmerzen suchte Norbert Raab medizinische Hilfe. Doch erst sein Sohn erkannte die Ursache.

Patient ist entsetzt: Arzt übersieht Bruch
Foto: Olaf Staschik

Hilden. Weil er sein Wohnmobil winterfest machen wollte, stieg Norbert Raab am 12. November 2014 auf eine Leiter. Doch dabei verlor er das Gleichgewicht. Rund 1,20 Meter stürzte der damals 68-Jährige rücklings in die Tiefe. Der Fuß des Hildeners verklemmte sich in den Sprossen, die Leiter klappte zusammen und quetschte ihn. Sofort durchzogen Norbert Raab unerträgliche Schmerzen.

„Ich konnte nicht mehr auftreten“, erinnert er sich. Es folgte eine für Raab unerfreuliche Odyssee. An deren Ende stehen Wut, Befremden und das Gefühl, alleine gelassen worden zu sein: „Ich möchte, dass die Ärzte genauer hinsehen“, sagt Raab. Denn ein Dokument der „Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein“, belegt: Ein Radiologe, der am Tag nach dem Unfall im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) „Med360 “ eine Aufnahme mit dem Kernspintomographen anfertigte, übersah einen Bruch.

Zitat aus dem Gutachten: „Ein später festgestellter Innenknöchelbruch links wurde vom befundenden Arzt (...) nicht gesehen.“ Zurück zum Anfang. Erste Anlaufstelle für Raab war das Hildener St.-Josefs-Krankenhaus. Dort veranlassten die Mediziner alles Notwendige. Dazu der Autor des Gutachtens: „Meines Erachtens ist der behandelnden Ärztin beziehungsweise dem Hildener Krankenhaus kein Behandlungsfehlervorwurf zu machen.“

Die Ärztin ließ eine Röntgen-Aufnahme anfertigen, die allerdings nicht alle Details klärte. Dazu das Gutachten: Auf den Standard-Röntgenaufnahmen des Krankenhauses habe „sich die im Kernspin sichtbare Innenknöchelfraktur nicht nachweisen“ lassen. Raab wollte nicht über Nacht im Krankenhaus bleiben. Daher sei er für den nächsten Tag zur weiteren Untersuchung einbestellt worden. Die Ärzte statteten ihn — laut Gutachten: „fachgerecht“ — mit einem Vacoped-Stiefel aus; einem Schuh, der den Fuß schient. Raab kam am 13. November wieder in die Klinik. Die Schmerzen waren über Nacht schlimmer geworden.

Ein Arzt sagte ihm jedoch, dass die Klinik ihn mit seinem „Privatunfall“ ambulant nicht weiter behandeln könne und er sich an einen niedergelassenen Mediziner wenden müsse. Raabs Vorwurf: „Man hat mich schwer verletzt weggeschickt, ohne sich um den Knochenbruch zu kümmern.“ Auf den habe die Notärztin schon am Tag zuvor einen Verdacht geäußert.

Doch das Krankenhaus hatte keine andere Wahl, als den Patienten weiterzuleiten, sagt Sprecherin Cerstin Tschirner: „Eine Indikation zur Operation gab es nicht. Daher war keine stationäre Behandlung angezeigt.“ Ambulant aber dürfe die Klinik Patienten nicht behandeln. Raab humpelte also ins MVZ, das neben dem Krankenhaus liegt. Dort wurde eine Kernspintomografie angefertigt. Sie wies einen Abriss der Achillessehne nach. Den Bruch des Innenknöchels übersah der diagnostizierende Arzt jedoch. Dazu Med360 -Sprecherin Marion Bassfeld: „Wir möchten zu nicht abgeschlossenen Angelegenheiten keinerlei Auskunft geben.“

Ein Chirurg des MVZ riet Raab zu einer Operation. Doch dieser zog nun seinen Sohn zu Rate, Dr. Carsten Raab, Chefarzt für Orthopädie am Duisburger Helios-Klinikum. Der erkannte den Bruch und riet seinem Vater von einer Operation ab. Nach einem Jahr kann Norbert Raab wieder schmerzfrei gehen. Der Gutachter bescheinigt zwar einen „Diagnosefehler“ des Radiologen. Doch dieser habe „zu keiner nachteiligen Situation für den Patienten, insbesondere zu auch keiner Verzögerung des Behandlungsablaufes geführt“, schreibt der Gutachter weiter. Glück gehabt...

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