Historiker sucht in Gruiten Trauben

Ein Gruitener Fachwerkhaus wird „Am Weinberg“ genannt. Ob es je Reben gab, ist fraglich.

Historiker sucht in Gruiten Trauben
Foto: Gruitener Archive

Haan. Das Gruitener Fachwerkhaus am Fuße der Anhöhe, auf der sich seit vielen Jahrhunderten der Friedhof um den alten Nikolausturm befindet, wird „Weinberg“ genannt. Die Straße, an der es liegt, heißt Am Weinberg. Und spätestens ab 1983 konnte man in der Broschüre zum Historischen Lehrpfad Gruiten lesen: „Der Name ‚Weinberg‘ deutet darauf hin, dass sich um das Haus und an den Hängen Weinstöcke befanden“. In einer späteren Auflage heißt es unter Bezug auf säumige Weinlieferungen des dazu verpflichteten Gräfrather Stifts im 16. Jahrhundert sogar: So legte die Kirche eigene Weinstöcke an, um den Messwein selbst zu ernten. „Das geht weit über das hinaus, was Fritz Breidbach 1970 in seinem heute noch sehr bekannten Gruiten-Buch zum Thema geschrieben hat“, erklärt Heimathistoriker Lothar Weller.

Historiker sucht in Gruiten Trauben
Foto: Weller

Die Spekulation über einen historischen Weinberg in Gruiten führte 2016 dazu, Am Weinberg unterhalb der alten Kirchhofsmauer Weinstöcke zu pflanzen. Heiner Wolfsperger, Hans-Josef Herring und Hans-Joachim Friebe pflückten im September erstmals die Trauben und kelterten die Lese. Für die Zukunft kann sich Wolfsperger durchaus einen Gruitener Tropfen vorstellen,

Aber mit Dokumenten lässt sich die Vermutung nicht untermauern, dass der Ortsname etwas mit dem Wein zu tun haben könnte, in dem doch die Wahrheit liegen soll. „Im Gegenteil: Neue historische Funde ergeben ein anderes Bild“, stellt Lothar Weller fest.

Das Haus Weinberg wurde erst um 1810 gebaut. Vorher habe — so ist überliefert — auf dem Grundstück eine Scheune gestanden. „Davon, dass sie Weinberg genannt wurde, habe ich bisher keine Spur gefunden. Die Bezeichnung Weinberg findet sich erst um 1840-50 in einer Schornsteinfegerliste aus dieser Zeit (hier: an Weinberg) und in einer notariellen Nachlassregelung, bei der eine Teilung des Hauses zwischen den Erben vereinbart wurde (dort: zum Weinberg).“ Dies sei überraschend, weil der Eigentümer des Hauses in seinem Testament von 1837, das die Grundlage für die Nachlassregelung bildet, diesen Namen gar nicht erwähnt, während er sein anderes Eigentum im Mettmanner Diepensiepen klar mit einem Namen benannte! „Der Erbauer des Hauses scheint den Namen Weinberg gar nicht gekannt zu haben“, schließt Weller.

Der Text der Nachlassregelung und der dazu gehörende Teilungsplan von 1849 enthielten keinen Hinweis darauf, dass sich auf dem Grundstück ein Garten befunden hat, in dem Rebstöcke gestanden haben könnten. Nur von einem Hofraum sei dort die Rede. Der Weg vor dem Haus (heute: Am Weinberg) hat zu dieser Zeit noch keinen Namen; im Plan steht die neutrale Bezeichnung Fahrweg. „Gänzlich ausgeschlossen ist, dass es damals Rebstöcke an der Stelle gegeben hat, an der die heutigen stehen. Dort stand mehrere Jahrhunderte lang bis 1902 ein Haus: Welschenhäuschen beziehungsweise Welsche Mauer genannt“, so der Historiker. 1879 wird das Haus in einem Kaufvertrag nochmals als zum Weinberg bezeichnet, aber schon kurze Zeit später lauten die Adressen des geteilten Hauses bis Ende der 1950er Jahre „Dorf 100“ und „Dorf 101“, ab Ende der 1950er Jahre dann „Am Weinberg 5 und 7“.

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