Hahneköppen: Echter Hahn bleibt

Traditionsvereine im Ruhrgebiet führen das Gänsereiten nach Tierschutzprotesten künftig nur noch mit Attrappen fort. Bei der Haaner Kirmes wird weiter ein echter Hahn geköpft.

Hahneköppen: Echter Hahn bleibt
Foto: Gruitener Archive

Haan. Ein Hühnerkopf? Natürlich nicht mit einem lebenden, betont Daniela Hitzemann vom Kreis Mettmann: Es komme „nur für die Show ein angenähter Kopf dran.“ Und auch lebensmittelrechtlich sei man „wie es heute gemacht wird, auf der richtigen Seite“. Aber die Haaner stehen mit dem dennoch martialisch anmutenden Brauchtum auch nicht alleine da — in Solingen geht es ebenfalls einem Hahn an den Kragen. Steht nun das Brauchtum in Frage, nachdem die letzten Gänsereitervereine Deutschlands in Bochum-Wattenscheid die Segel strichen und auf das Spektakel mit einem echten Tier verzichten?

Bis vor kurzem verlor dort beim sogenannten Gänsereiten noch ein (totes) Tier den Kopf. Es war ein traditioneller Wettstreit, bei dem Reiter zu Karneval einer zuvor getöteten und zwischen Bäumen aufgehängten Gans den Kopf abrissen. Damit soll jetzt Schluss sein. Die Gänsereiter-Vereine wollen künftig nur noch Attrappen benutzen. Ein freiwilliger Entschluss, der aber wohl auf langjährigen Protesten von Tierschützern fußt, die in dem Spektakel die Würde des Tieres verletzt sahen.

Ähnliche Ambitionen gibt es beim „Traditionsverein Haaner Hahneköppen 1999“ nicht. Der Verein hat vor 18 Jahren die Organisation des Spektakels übernommen, nachdem sich der vorherige Veranstalter, die Haaner Feuerwehr, von dem Geschehen zurückgezogen hatte. Aktuell gibt es keine Proteste von Tierschützern.

„Wir haben massive Auflagen durch das Veterinäramt, die wir streng einhalten“, erklärt der Vorsitzende des Traditionsvereins, Helmut Schmiedchen. „Ich bin für die Vorbereitungen bereits früh morgens vor Ort“, sagt der 56-Jährige. Ein Aufwand, den die Zuschauer belohnen: In den vergangenen Jahren war die Veranstaltung gut besucht.

Woher die Tradition stammt, darüber sind sich auch die Vereinsmitglieder nicht einig. Für Gründungsmitglied Uwe Haage ist das Hahneköppen eine Kindheitserinnerung. „Montags gab es ab 10 Uhr schulfrei, und dann ging es auf die Kirmes“, erzählt der 58-Jährige. „Da gehörte das Hahneköppen einfach dazu.“

In den vergangenen Jahren kann er sich nicht an Proteste erinnern. Das Hahneköppen sei vielmehr das, was es aus seiner Sicht sein soll : „ein Fest“.

Der Haaner Horst Joppien war in den Jahren, als die Feuerwehr das Brauchtum weiterführte, Wehrleiter und erinnert sich: „Ich kenne das Hahneköppen schon aus den 50er-Jahren.“ Es sei viele Jahre von einem Gesangsverein gepflegt worden. „Als dieser das Hahneköppen aufgegeben hatte, wollte die Stadt die Tradition bewahren“, erzählt der 75-Jährige. Und übertrug der Feuerwehr die Aufgabe. „In den 1980er Jahren wurde die Kritik am Spektakel lauter.“ Tierschützer demonstrierten, und „die Arbeit und der Aufwand wurden immer mehr.“ Da habe man die Fortführung abgelehnt, sagt Joppien — und der Verein „Haaner Hahneköppen“ übernahm. Doch nicht nur in Haan war das Hahneköppen einst Tradition. In seinem Archiv hat Lothar Weller vom Bergischen Geschichtsverein einen alten Zeitungsartikel, in dem es heißt, dass sich am 27. Juli 1981 zum dritten Mal die Gruitener Freunde des Hahneköppens trafen. Es gab diese Tradition also auch einmal in Gruiten.

Joppien liefert die vielleicht greifbarste Begründung für die Tradition: Der Hahn als gallisches Wappentier wurde zu Zeiten der französischen Besetzung als Zeichen der Auflehnung gegen die Besatzer einen Kopf kürzer gemacht. Aus einem Begleitheft zur 1986 im Museum Schloss Burg gezeigten Ausstellung mit dem Titel „Hahneköppen im Bergischen Land“ geht hervor, dass das Hahneköppen beziehungsweise Hahnenschlagen als Volksspiel in Kirmes- und Erntebrauch seit dem 16. Jahrhundert belegt sei und vor allem auch im Solinger Raum stattgefunden habe.

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