Der Schwalbenturm steht leer

Immer weniger Schwalbenpaare brüten in unseren Gärten. Die Gründe für den Rückgang sind auch für Experten nicht ganz klar.

Der Schwalbenturm steht leer
Foto: rm-

Haan. Über der Terrasse von Rosemarie und Josef Discher herrscht reger Flugbetrieb. Immer wieder kommen Elternvögel angeschossen, stecken gefangene Insekten in die aufgerissenen Schnäbel ihrer Brut, die hungrig aus den Lehmhöhlen schauen, die unterhalb der Dächer an die Fassade geklebt sind. Doch der Eindruck täuscht. „In Spitzenjahren hatten wir 29 Nester, die besetzt waren. Im Vorjahr waren es 24 und jetzt gerade zehn“, berichtet Rosemarie Discher. Sie bestätigt, was auch die Naturschützer aus der Arbeitsgemeinschaft Natur und Umwelt (Agnu) Haan berichten: Die Zahl der brütenden Schwalben ist dieses Jahr sehr niedrig.

Spaziergänger hatten auf die Kosten für den Anfang 2016 im Regenrückhaltebecken Dinkelweg aufgestellten Schwalbenturm hingewiesen, dass das Bauwerk mit den angeschraubten Kunstnestern überhaupt nicht angenommen wurde. „Unser Turm ist auch noch nicht bewohnt“, merkt Josef Discher an. In einem abgelegenen Bereich des riesigen naturnahen hatte er — noch vor dem Turm am Dinkelweg — ein eigenes Schwalbendomizil errichtet, das auf einem vier Meter hohen Pfahl thront. „Die Kunstnester werden erst dann angenommen, wenn die Vögel sonst nichts finden“, sagt Discher und verweist darauf, dass naturfremde Gerüche sich erst verflüchtigen müssten. Auch ein aus Holz gefertigtes Spatzenhotel habe zwei Jahre auf die ersten gefiederten Bewohner gewartet“, erzählt Josef Discher.

Seine Frau zeigt auf ein Schwalbennest aus Lehm, aus dem ein Stofffetzen hängt. „Da waren im Winter die Spatzen drin“, erzählt sie. Und als die Schwalben im Frühjahr kamen — das erste Pärchen wurde am 9. April gesichtet und mit einem Schluck Sekt gefeiert — habe es erst einmal Randale ums Nest gegeben; die Spatzen wohnen jetzt woanders. Rosemarie Discher verarbeitet viele Eindrücke in Gedichtform: „Zierliche weiße Köpfchen, bedeckt mit schwarzen Schöpfchen, schauen raus aus ihrem Heim; bald, ja bald werden sie flügge sein“, reimte sie treffend unter dem Titel „Die Schwalbe an sich ist ein Gedicht.

„Der Rückgang der Insektenbestände dürfte ein Grund sein“, vermutet Sven Kübler, Sprecher der Agnu Haan. „Viele Feldvögel sind nicht mehr da. Auch nicht die Kiebitze.“ Erstaunlicherweise seien viele Mauersegler aus den Winterquartieren im Süden gekommen, weiß Kübler zu berichten. Die Naturschützer waren vorigen Sonntag bei der Haaner Gartenlust mit einem Informationsstand vertreten.

Aus vielen Gesprächen mit Besuchern haben die Naturschützer entnommen, dass Gartenbesitzer inzwischen bei der Pflanzenauswahl stärker darauf achten, dass sie Bienen- und auch Vögeln Nahrung und Schutz bieten. Familie Discher stellt aber auch im naturnah gestalteten Garten fest, dass Insekten ausbleiben. In früheren Jahren brummte und summte es über dem Kleeblüten-Meer auf der Wiese. Gestern waren nur vereinzelt Bienen und Hummeln unterwegs. Ob es an der offenbar schmackhaften gelben Rispenblüte des großen Maronenbaums lag, aus dem es vernehmbar summte. „Schöne Musik“, sagt Rosemarie Discher, nachdem sie eine Weile gelauscht hat.

Als die Dischers vor vier Jahren den früher mit Lehm gebauten Teich sanierten und mit Folie auskleiden ließen, wurde ein Bereich eigens mit Lehm bestückt. Der feuchte „Schwalbenberg“ zeigt deutliche Spuren, dass Schwalben dort Baumaterial holen für den Nestbau.

Am Teich seien auch mehr Schwalben aktiv, als unter den Dachüberständen der beiden Häuser von Familie Discher (junior und senior) im Gebiet Fuhr leben.

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