Aufmerksamer Lokführer verhindert Bahn-Katastrophe in Gruiten

Beinahe wäre im Februar ein ICE in einen stehenden Zug gerast. Der Vorfall wurde nun bekannt. Unzureichende Kommunikation als Ursache.

Aufmerksamer Lokführer verhindert Bahn-Katastrophe in Gruiten
Foto: dpa

Haan-Gruiten. 15 Meter liegen noch zwischen einem Intercity Express (ICE) und einer abgestellten Regionalbahn des Verkehrsunternehmens National Express (NE), als der Schnellzug nach einer harten Bremsung endlich zum Stehen kommt. Die geistesgegenwärtige Reaktion des ICE-Lokführers verhindert am späten Abend des 1. Februar dieses Jahres ein verhängnisvolles Unglück im Bahnhof des Haaner Ortsteils Gruiten. Der Vorfall wurde jetzt durch den Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) bekannt.

In der Nacht vom 1. auf den 2. Februar muss die Bahnstrecke zwischen dem Solinger Hauptbahnhof und Gruiten wegen Arbeiten am Stellwerk Opladen für eine Stunde gesperrt werden. Eine Regionalbahn in Richtung Wuppertal kann deshalb ihre Fahrt erst in Gruiten aufnehmen. Teile des letzten planmäßigen Zuges werden dort abgekoppelt und warten auf dem Gleis samt Lokführer eine Stunde auf die Weiterfahrt.

Der Vorgang ist nicht neu: Bereits eine Woche zuvor wurde die Strecke aus demselben Grund für eine Stunde gesperrt. Der Ablauf verlief reibungslos, ein Sonderfahrplan informierte die diensthabenden Fahrdienstleiter darüber, dass in Gruiten Züge getrennt werden und ein Zug für eine Stunde auf dem Gleis steht.

Doch in dem Bericht der BEU geben die Fahrdienstleiter dieser Nacht an, zu keinem Zeitpunkt von der neuerlichen Zugtrennung gewusst zu haben.

Während die Fahrdienstleiter in Wuppertal-Vohwinkel von einem normalen Betriebsablauf ausgehen, kommt ein ICE in Richtung Dortmund vor dem Bahnhof Gruiten zum Stehen — das Signal zeigt Rot. Die Gleisfreimeldeeinrichtung hat erkannt, dass sich ein Zug auf dem Gleis befindet und den ICE deshalb gestoppt.

Der vordere Zugteil der Regionalbahn ist inzwischen in Wuppertal-Vohwinkel angekommen. Der Fahrdienstleister, der nichts von der Abkopplung weiß, geht davon aus, bei dem roten Signal handele es sich um eine Störung. Er vermutet keinen Zug auf dem Gruitener Gleis und gibt es manuell frei.

Der ICE fährt los und ist fast 80 Stundenkilometer schnell, als der Lokführer in einer Kurve die Schlussleuchten der stehenden Regionalbahn bemerkt. Umgehend bremst er scharf. Wenige Meter vor dem Aufprall bleibt der Zug stehen. Bei dem Manöver bleiben alle Fahrgäste unverletzt — nur der Lockführer erleidet einen Schock. National Express Geschäftsführer Dirk Ballerstein spricht von einer „sehr ernsten Lage“ und zeigt sich froh, dass nicht mehr passiert ist.

Die BEU-Untersuchung ergab, dass die relevanten Informationen über die geplante Abkopplung im Vohwinkeler Stellwerk nicht bekannt waren. Das erklärt jedoch nicht, weshalb der Fahrdienstleister die Strecke trotz rotem Signal freigegeben hat. Dirk Ballerstein ärgert sich: „Da wurde das Erlernte schlicht nicht richtig angewendet.“ Allerdings kritisiert der Bericht das komplizierte und unübersichtliche Regelwerk der Deutschen Bahn für Fälle, bei denen der Fahrdienstleiter eine Signalstörung vermutet, das Gleis aber nicht mit eigenen Augen überprüfen kann. Die BEU empfiehlt eine Überarbeitung und mahnt, wirkungsvolle Kommunikationswege zu benutzen.

Die Bahn erklärt, die Empfehlungen „umgehend und mit Hochdruck“ zu überprüfen. Bei National Express hat man aus dem Vorfall seine eigenen Lehren gezogen, sagt Dirk Ballerstein: „Wir werden in Zukunft jede Abkopplung melden. Ob es der Fahrdienstleister hören möchte oder nicht.“ Beide Unternehmen betonen die elementare Bedeutung von Sicherheit im alltäglichen Bahnverkehr.

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