Nach der Premiere: Geschafft – völlig geschafft

Es ist vollbracht. WZ-Redakteur Andreas Keil ist im Königsforst seinen ersten Marathon gelaufen und kann Bilanz ziehen.

Kreis Mettmann. Glücksgefühle oder Euphorie? Von wegen. Als ich die letzten Schritte meines ersten Marathons über die Matte der Zeitmessung stampfe, spüre ich alles mögliche - Kälte, Schmerzen in den Oberschenkeln, das dringende Bedürfnis, endlich stehen zu bleiben und Ruhe zu haben - aber keine Euphorie.

Stolz, ja stolz bin ich, dass ich durchgehalten habe, dass ich auch die letzten der berühmten 42,195 Kilometer nicht stehen geblieben bin, sondern immer schön weiter ein Bein vor das andere gesetzt habe.

Die Zeit war mir das letzte Stück, das ich mich durch diesen schier endlosen Königsforst leicht bergauf in Richtung Ziel gearbeitet habe, völlig wurscht. Da ging es nur noch ums Ankommen oder Nicht-Ankommen. Wäre ich mit einer tollen Zeit bei 36 Kilometern ausgestiegen, hätte ich alles falsch gemacht, was ich in den vergangenen acht Monaten bei der Vorbereitung gelernt haben sollte.

"Der Marathon fängt bei 30 Kilometer an", hatten mir mein Trainingsberater Tobias Kofferschläger und andere erfahrene Läufer immer wieder vorgebetet. Sie haben Recht.

Jetzt, nachdem ich die ersten Minuten durchgeatmet, die schmerzenden Beine und die in der Laufhaltung völlig verkrampften Arme gelockert habe, kann mein Hirn sich auch mit der Zeit beschäftigen. 3Stunden, 33 Minuten und 17 Sekunden - Wahnsinn! Nach meinen Trainingszeiten hatte ich mir eine ähnliche Zeit gewünscht.

Ich bin zwar immer viel und auch ähnlich schnell gelaufen - allerdings nie mehr als neun oder zehn Kilometer am Stück. Dass ich ein Fünf-Minuten-Tempo pro Kilometer über 42 Kilometer durchhalten und nicht am Ende fürchterlich einbrechen würde, war meine große Angst.

Und ab Kilometer 36 war ich mir auch nicht mehr so sicher. Nach der ersten der beiden Runden durch das schöne Waldgebiet am Rande von Köln habe ich mich noch prächtig gefühlt. Bis dahin waren wir 198 Marathonläufer - ich darf jetzt tatsächlich "wir Marathonläufer" sagen - noch mit 611 Halbmarathon-Läufern in einem Feld unterwegs.

Doch als die nach ihren 21 Kilometern ins Ziel gekommen waren, war ich fast allein und musste mir erst einmal eine Gruppe suchen, die in etwa mein Tempo lief.

Immer wieder habe ich meine Geschwindigkeit auf der GPS-Uhr kontrolliert. "Nicht zu schnell, nur nicht zu schnell!" Trotzdem wurden ab 28 Kilometern die Beine schwer, und ich war als fast schon militanter Alleinläufer froh, mich an einen offensichtlich erfahrenen Sportler hängen zu können.

Mein unbekannter Laufpartner hatte dann bei Kilometer 35 seinen Durchhänger und blieb zurück. Ich hätte nie geglaubt, einmal traurig zu sein, dass ein anderer Läufer mein Tempo nicht halten kann. Aber nun war ich allein. Die beiden freundlichen Sportskameraden, die mich kuze Zeit später lustig plaudernd überholten, waren wirklich keine Hilfe, sondern einfach nur deprimierend.

"Man kann sich durchaus vorher Argumente zurecht legen, warum man das nächste Teilziel erreichen will und kann", hatte mir Sportpsychologe Debnar-Daumler vor einigen Wochen erklärt. Jetzt spielte ich das Spiel tatsächlich: "Acht Monate Training und jetzt schon mehr als 35 Kilometer. Das kann doch nicht umsonst gewesen sein!" Die nächste Kurve, den nächsten Buckel erreichen, den Läufer im weißen Hemd vielleicht doch noch einholen - kleine neue Ziele ergeben sich immer wieder.

Und dann steht da doch das Schild "40 km". Jetzt ist der Rest doch nur noch ein Klacks - aber ein fürchterlich langer. Ich habe das Gefühl, ich würde Löcher in den Boden stampfen, als ich durch einen kleinen Tunnel auf die Straße einbiege, auf der das Ziel vor mir liegt.

Oft habe ich mir überlegt, wie ich wohl durchs Ziel laufen würde - mit erhobenen Armen oder lachend. Jetzt will ich nur aufhören zu laufen und meine Ruhe haben. Gejubelt habe ich nicht. Wenn ich gelacht haben sollte, sah es bestimmt kläglich aus. Aber ich habe es geschafft!

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